2.5.2.1 Leistungen nach § 78a
Rz. 11
Gemäß Abs. 2 Satz 2 wird das Wahlrecht in Bezug auf die in § 78a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 genannten Leistungen, die in solchen Einrichtungen erbracht werden, mit denen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe keine Vereinbarungen nach § 78b geschlossen hat, weiter eingeschränkt. Es handelt sich bei diesen Leistungen im Wesentlichen um teilstationäre und stationäre Leistungen, insbesondere Betreuung und Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform, Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder, Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen zur Erfüllung der Schulpflicht, Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe, einem Heim, in einer sonstigen betreuten Wohnform oder sozialpädagogische Einzelbetreuung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in teilstationären oder stationären Einrichtungen und gleichartige Hilfen für junge Volljährige. § 78b Abs. 1 sieht Vereinbarungen über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote (Leistungsvereinbarung), über differenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebsnotwendigen Investitionen (Entgeltvereinbarung) und über Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwicklungsvereinbarung) vor.
2.5.2.2 Vereinbarungen nach § 78b
Rz. 12
Positiv formuliert besteht das Wahlrecht dann uneingeschränkt, wenn zwischen dem öffentlichen und dem freien Träger eine der vorgenannten Vereinbarungen besteht. Die Rechtsnatur einer solchen Vereinbarung muss jedenfalls seit dem Inkrafttreten der §§ 78a bis 78g als die eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach Maßgabe der §§ 53ff. SGB X beurteilt werden. Diese Vorschriften enthalten spezifische Regelungen über den Inhalt (§ 78c), den Geltungszeitraum (§ 78d), die örtliche Zuständigkeit für deren Abschluss (§ 78e) sowie für Rahmenverträge der Spitzenverbände auf Landesebene (§ 78f) und die Einrichtung einer Schiedsstelle (§ 78g). Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen ist gemäß § 53 Abs. 1 SGB X der Gegenstand der vertraglichen Regelung (Jansen, Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB X, Rz. 8). Die in § 78b Abs. 1 vorgegebenen Inhalte der Vereinbarungen dienen der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. BGH, Urteil v. 12.11.1991, KZR 22/90 zur Rechtsnatur einer Pflegesatzvereinbarung).
2.5.2.3 Leistungserbringung geboten
Rz. 13
Absatz 2 Satz 2 sieht ebenso wie die spezielle Regelung in § 78b Abs. 1 vor, dass das Wunsch- und Wahlrecht grundsätzlich auf solche Einrichtungen beschränkt ist, mit denen eine Vereinbarung besteht (vgl. dazu BayVGH, Urteil v. 16.2.2005, 12 B 01.2895). Die Regelungen der Öffnungsklauseln in § 5 Abs. 2 Satz 2 und § 78b Abs. 3 für den Fall, dass die Leistung in einer Einrichtung gewählt wird, mit der keine Vereinbarung besteht, sind nicht ganz gleichlautend, wiewohl sie gleichzeitig in Kraft getreten sind. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 soll der Wahl entsprochen werden, wenn die Leistungserbringung im Einzelfall oder nach Maßgabe des Hilfeplanes (§ 36) geboten ist. Nach § 78b Abs. 3 ist der öffentliche Träger zur Kostenübernahme nur verpflichtet, wenn dies insbesondere nach Maßgabe der Hilfeplanung (§ 36) im Einzelfall geboten ist. Demnach ist Grundvoraussetzung für die Übernahme der Kosten für eine Leistung nach § 78a, dass diese Leistung geboten ist (BayVGH, Beschluss v. 24.3.2004, 12 CE 03.3203). Ist die Leistung i. S. d. § 78a im Einzelfall geboten, d. h. geeignet und erforderlich, so muss ferner auch ein Hilfeplan vorliegen, der diese Form der Leistungsgewährung vorsieht. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat die Kosten aber auch dann zu übernehmen, wenn weder eine Leistungs- oder Entgeltvereinbarung noch ein Hilfeplan besteht, die Leistung jedoch in keiner anderen vereinbarungsgebundenen Einrichtung erbracht werden kann (BayVGH, Urteil v. 16.2.2005, 12 B 01.2895; Niedersächsisches OVG, Urteil v. 19.3.2003, 4 LB 111/02).
Rz. 14
Der öffentliche Träger ist bei der Auswahl der Träger, mit denen eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen werden soll, an die speziellen Regelungen des SGB VIII gebunden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialraumorientierung ist eine Kontingentierung oder Budgetierung der Beteiligung freier Träger losgelöst von den Gegebenheiten des Einzelfalles weder durch den Grundsatz der Trägervielfalt aus § 3 Abs. 1, noch durch das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 und auch nicht durch die in §§ 75, 78, 78a geregelte Ermächtigung zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften gedeckt (OVG Berlin, Beschluss v. 4.4.2005, 6 S 415.04; OVG Hamburg, Beschluss v. 1.10.2004, 4 Bs 388/04). Vielmehr kommt in Betracht, dass eine solche Voauswahl gegen diese Vorschriften verstößt. Sie verletzt mangels gesetzlicher Rechtfertigung das Grundrecht der nicht zum Zuge kommenden freien Träger aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. § 3 Rz. 8).