2.2.1 Anlass zur Belehrung
Rz. 8
Gemäß Abs. 1 Satz 1 hat das Jugendamt im Ersetzungsverfahren die nach § 1748 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgeschriebene Belehrung vorzunehmen. Nach letzterer Vorschrift darf wegen Gleichgültigkeit (§ 1748 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB), die nicht zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung (§ 1748 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) darstellt, die Einwilligung nicht ersetzt werden, bevor
- die Belehrung über die Möglichkeit der Ersetzung stattgefunden hat und
- danach eine Frist von mindestens 3 Monaten verstrichen ist und
- mindestens 5 Monate seit der Geburt des Kindes vergangen sind.
Die Vorschriften in § 1748 Abs. 2 BGB und § 51 Abs. 1 sind inhaltlich deckungsgleich. Mit Inkrafttreten des KJHG wurden die Regelungen aus § 1748 Abs. 2 BGB in Abs. 1 aufgenommen, weil die Belehrungspflicht dem Jugendamt obliegt und weil sich weitere Aufgaben des Jugendamtes daran anschließen.
2.2.1.1 Gleichgültiges Verhalten
Rz. 9
Gleichgültig verhält sich ein Elternteil dann, wenn er gegenüber dem Kind und seiner Entwicklung gänzlich teilnahmslos ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn er zu dem Kind über einen längeren Zeitraum hinweg keinen Kontakt pflegt, wenn ihn das Kind und dessen Schicksal nicht interessieren oder wenn er es an einer persönlichen Zuwendung völlig fehlen lässt (BayObLG, Beschluss v. 19.1.1994, 1Z BR 98/93). Gleichgültigkeit kann auch dann vorliegen, wenn der Elternteil Besitzansprüche an das Kind stellt, die durch Eifersucht, verletzten Stolz, Neid, Rachsucht, Böswilligkeit oder sonstige eigensüchtige Motive bestimmt sind (BayObLG, Beschluss v. 6.5.1997, 1Z BR 148/96). Es genügt nach der Rechtsprechung, wenn objektiv feststellbare Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass dem Elternteil das Kind gleichgültig ist (Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 51 Rz. 16 mit Hinweis auf BayObLG, FamRZ 1984, 417, 419; vgl. auch RegBegr. zu § 51a JWG in BT-Drs. 7/421 S. 8). Ist das Verhalten mehrdeutig, so muss es jedenfalls "im Wesentlichen" auf Gleichgültigkeit zurückzuführen sein (OLG Hamm, ZKJ 2013, 305). Mehrdeutig kann insbesondere der Umstand sein, dass ein nicht sorgeberechtigter Elternteil keinen Kontakt mit dem Kind sucht.
2.2.1.2 Keine gröbliche Pflichtverletzung
Rz. 10
Die Belehrungs- und Beratungspflicht des Jugendamtes besteht nur dann, wenn die Gleichgültigkeit nicht zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung darstellt (§ 51 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1748 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Nichtzahlung von Unterhalt allein begründet keine gröbliche Pflichtverletzung. Es müssen erschwerende Umstände hinzutreten, etwa wenn das Kind infolge der Nichtleistung Not leidet (BayObLG, Beschluss v. 6.5.1997, 1Z BR 148/96). Eine schwere Straftat gegenüber dem Kind oder seiner Mutter kann nach § 1748 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Ersetzung führen (bei Tötung der Mutter vor den Augen des Kindes: OLG Zweibrücken, Beschluss v. 8.2.2001, 3 W 266/00).
2.2.1.3 Unverhältnismäßiger Nachteil
Rz. 11
Die Gleichgültigkeit führt nur dann zur Ersetzung, wenn das Unterbleiben der Adoption dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde (§ 1748 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der voll gerichtlich überprüfbar ist. Dabei ist eine umfassende Abwägung der Eltern- und Kinderinteressen erforderlich. Der Nachteil, den das Unterbleiben der Adoption bedeuten würde, ist zur Schwere des Eingriffs in das Elternrecht in Beziehung zu setzen (BayObLG, Beschluss v. 19.1.1994, 1Z BR 98/93, a. a. O.). Dabei sind tatsächliche und rechtliche Nachteile zu berücksichtigen. Tatsächliche Nachteile können darin liegen, dass bei Ausbleiben der Adoption das Kind nicht dauerhaft in die aufnehmende Familie eingebunden werden kann und dies sich nachteilig auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirkt. Rechtliche Nachteile können darin zu sehen sein, dass bis zur Adoption der Unterhaltsbedarf des Kindes nicht gesichert ist. Die finanziellen Folgen der Adoption (Wegfall von Unterhaltsansprüchen und ggf. Ansprüchen auf Sozialleistungen) sind von untergeordneter Bedeutung, jedoch in die Abwägung der Interessen des Kindes an der Adoption und der Interessen des rechtlichen Elternteils am Fortbestand seines Elternrechts einzubeziehen (OLG Hamm, Beschluss v. 7.12.2016, II-13 UF 131/15, 13 UF 131/15). Entscheidend ist stets die individuelle Situation des Kindes im konkreten Einzelfall (Reinhardt, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 51 Rz. 24).
2.2.2 Inhalt und Form der Belehrung
Rz. 12
Die Belehrung muss zur Möglichkeit der Ersetzung der Einwilligung erfolgen. Mithin ist dem Elternteil, dessen Einwilligung ersetzt werden soll, zu erläutern, dass ein Verfahren zur Annahme des Kindes in Gang gesetzt wurde und dass beabsichtigt ist, seine dafür erforderliche Einwilligung zu ersetzen. Die Belehrung soll ihm ferner verdeutlichen, warum sein bisheriges Verhalten als Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind ausgelegt wird und dass das Unterbleiben der Annahme zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für das Kind führen würde. Die Belehrung muss den Hinweis enthalten, dass das Familiengericht frühestens 3 Monate nach der Belehrung ...