2.1.1 Mitwirkungspflicht
Rz. 3
Gemäß Abs. 1 hat das Jugendamt nach Maßgabe der § 38 JGG und § 50 Abs. 3 Satz 2 JGG in Verfahren nach dem JGG mitzuwirken. Die Aufzählung der in Abs. 1 genannten Vorschriften des JGG ist unvollständig. Noch weitere Normen des JGG regeln die Mitwirkung der "Jugendhilfe im Strafverfahren" (diesem Terminus wird teilweise gegenüber dem gebräuchlichen Begriff "Jugendgerichtshilfe" der Vorzug gegeben). Grundsätzlich besteht nach Abs. 1 eine Mitwirkungspflicht der Jugendgerichtshilfe, und zwar in jedem Verfahren, unabhängig von der Persönlichkeit des Täters oder der Schwere des Tatvorwurfs. Auf die Mitwirkung können weder der Täter noch seine gesetzlichen Vertreter oder sein Verteidiger verzichten. Auch die Jugendgerichtshilfe kann nicht aus pädagogischen oder anderen Gründen von der Mitwirkung gänzlich absehen. Die Jugendgerichtshilfe ist ein "Prozesshilfeorgan eigener Art". Sie entscheidet eigenständig, wann und wie sie im Einzelnen ihre Aufgaben wahrnimmt. Die Justizbehörden haben insoweit kein Weisungsrecht.
Rz. 4
In der Praxis sind Art und Umfang der Mitwirkung naturgemäß nicht einheitlich. Entscheidend sind die jeweiligen Besonderheiten eines Verfahrens. So ist z. B. die Mitwirkung bei Straftaten im Bagatellbereich bei Ersttätern vielerorts in Absprache mit den Justizbehörden (Staatsanwaltschaft/Gericht) auf ein Minimum, z. B. auf einen einmaligen Kontakt mit dem Jugendlichen oder Heranwachsenden und die Mitteilung, dass es einer weiteren Beteiligung und einer ausführlichen Berichterstattung nicht bedürfe, reduziert. Im Hinblick auf die vielfach hohe Arbeitsbelastung der Jugendgerichtshilfe und der Notwendigkeit der Konzentration auf "schwierige Fälle" erscheinen entsprechende Absprachen vertretbar. Verweigert indes die Jugendgerichtshilfe ihre Mitwirkung in Verfahren, in denen diese seitens der Justiz aus prozessualen Gründen für erforderlich gehalten wird, können ggf. geeignete Maßnahmen im prozessualen Bereich (s. u.) oder im Wege der Dienstaufsicht durch den Dienstvorgesetzten des Vertreters der Jugendgerichtshilfe ergriffen werden.
2.1.2 Jugendgerichtshilfe
Rz. 5
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 8 i. V. m. § 52 obliegt der Jugendhilfe die Mitwirkung in Verfahren nach dem JGG. In § 38 Abs. 1 JGG ist bestimmt, dass die Jugendgerichtshilfe von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt wird.
Weder in § 52 noch im JGG ist eine gesetzliche Vorgabe enthalten, in welcher Organisationsform die Mitwirkung zu erfolgen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Praxis unterschiedlich. Überwiegend wird die Jugendgerichtshilfe von Mitarbeitern des Jugendamts ausgeübt, die sich auf diese Aufgabe spezialisiert haben. Diese Mitarbeiter sind i. d. R. aufgrund ihrer besonderen Ausbildung und Erfahrungen mit dem Ablauf eines Jugendstrafverfahrens gut vertraut und deshalb in der Lage, effektiv im Jugendverfahren mitzuwirken. Aus diesem Grunde wird der sog. spezialisierten Jugendgerichtshilfe gegenüber der durch den Allgemeinen Sozialdienst der Jugendämter neben weiteren Aufgaben wahrgenommenen Jugendgerichtshilfe aus Sicht der Justiz vielfach der Vorzug gegeben. Für eine Wahrnehmung im Rahmen des Allgemeinen Sozialdienstes kann andererseits der ganzheitliche Ansatz der Betreuung und Begleitung im Verfahren beruhend auf einem vielfach bereits vorher und auch nachher bestehenden intensiven Kontakt zu dem Jugendlichen und seinem Lebensumfeld sprechen.
Rz. 6
Im Interesse einer konstruktiven Mitwirkung ist in jedem Fall eine Wahrnehmung der Aufgaben der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung durch einen sog. Gerichtsgeher ohne vorherigen persönlichen Kontakt zu dem Angeklagten abzulehnen. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention in Abs. 3. Danach soll der Mitarbeiter des Jugendamts oder des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe, der den ersten Kontakt zu dem Jugendlichen oder Heranwachsenden nach Abs. 2 Satz 2 aufgenommen hat, die Betreuung während des gesamten Verfahrens durchführen. Dies korrespondiert mit der in § 38 Abs. 2 Satz 3 JGG enthaltenen Regelung, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe in die Hauptverhandlung entsandt werden soll, der die Nachforschungen angestellt hat. Bei beiden Bestimmungen handelt es sich um "Sollvorschriften", die nicht zwingend sind und durch die Justiz nicht durchgesetzt werden können.
Rz. 7
Für die örtliche Zuständigkeit des Jugendamts gilt nach der überwiegend vertretenen Auffassung § 143 GVG analog, d. h. das Jugendamt in dem Bezirk des zuständigen Jugendgerichts nimmt die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe wahr. Dagegen gilt nach anderer Auffassung die eigenständige Zuständigkeitsregelung in § 87b. Danach ist das Jugendamt zuständig, in dessen Bezirk die Eltern bzw. die Personensorgeberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. In der Praxis sind diese beiden unterschiedlichen Auffassungen nur in Einzelfällen von Relevanz. Sachlich zuständig ist gemäß § 85 Abs. 1 der örtliche Träger. Für ihn handelt das Jugendamt. Die Verantwortlichkeit des öffentlichen Trägers der Ju...