2.3.1 Definition Hauptverfahren
Rz. 23
Mit dem Eingang der Anklage bei dem Jugendgericht beginnt das sog. Zwischenverfahren, in welchem über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden wird. Es handelt sich um ein schriftliches Verfahren. Eine Heranziehung der Jugendgerichtshilfe erfolgt in diesem Verfahrensstadium im Regelfall nicht. Im vereinfachten Jugendverfahren gemäß §§ 76ff. JGG ergeht kein förmlicher Eröffnungsbeschluss.
Rz. 24
Mit dem Eröffnungsbeschluss bzw. im vereinfachten Jugendverfahren mit der Terminierung beginnt das Hauptverfahren. Es gliedert sich in 2 Abschnitte: Die Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Hauptverhandlung. Insoweit gelten gemäß § 2 JGG die allgemeinen Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) bzw. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), soweit in dem JGG nichts anderes bestimmt ist.
2.3.2 Vorbereitung der Hauptverhandlung
Rz. 25
Im Zuge der Vorbereitung der Hauptverhandlung sind dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe Ort und Zeit der Hauptverhandlung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 JGG mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht korrespondiert mit der in § 38 Abs. 3 JGG enthaltenen Verpflichtung, die Jugendgerichtshilfe im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen heranzuziehen. Hält der Richter im Hinblick auf die im Strafprozess bestehende Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) die Anwesenheit der Jugendgerichtshilfe und die Berichterstattung in der Hauptverhandlung für unumgänglich, weist er in der Praxis in der Mitteilung darauf ausdrücklich hin.
Rz. 26
Erachtet der Richter – in der Praxis in seltenen Fällen – im Hinblick auf die ihm obliegende Aufklärungspflicht die zeugenschaftliche Vernehmung eines bestimmten Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung für geboten, hat er diesen als Zeugen zu laden. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Beweisaufnahme als Zeuge bestimmte sachdienliche Angaben zur Tataufklärung machen kann. Im Hinblick auf das für gute erzieherische Hilfeleistungen unabdingbare Vertrauensverhältnis zwischen dem Jugendlichen bzw. Heranwachsenden und dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe, das durch eine Zeugenvernehmung gefährdet oder zerstört werden kann, sollte eine Zeugenladung nur ausnahmsweise in Betracht kommen. In diesem Fall hat der Dienstvorgesetzte im Vorfeld der Hauptverhandlung im Übrigen zu entscheiden, ob er dem Mitarbeiter eine Aussagegenehmigung erteilt (§ 54 StPO i. V. m. den jeweils nach Landesrecht geltenden beamtenrechtlichen Bestimmungen).
2.3.3 Rechte in der Hauptverhandlung
Rz. 27
Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe hat aufgrund seiner Aufgabe zur Mitwirkung im gesamten Verfahren in der Hauptverhandlung ein uneingeschränktes Anwesenheitsrecht. Er ist auch dann zur Anwesenheit berechtigt, wenn nach § 51 JGG oder §§ 171ff. GVG der Angeklagte, seine gesetzlichen Vertreter oder/und die Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden.
Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe erhält ferner in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort (§ 50 Abs. 3 Satz 2 JGG). Diese Vorschrift sichert das rechtliche Gehör des Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung. Damit ist gewährleistet, dass er gemäß seinem Auftrag die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte zur Geltung bringen kann (§ 38 Abs. 2 Satz 1 JGG). Weitergehende Rechte ergeben sich daraus nicht. Insbesondere hat die Jugendgerichtshilfe nach überwiegender Meinung weder ein Fragerecht noch ein formelles Antragsrecht.
2.3.4 Pflichten in der Hauptverhandlung
Rz. 28
Die Jugendgerichtshilfe trifft grundsätzlich keine Mitwirkungsverpflichtung an der Hauptverhandlung, es sei denn, das Gericht hat entsprechend Richtlinie 8 S 3 zu § 43 JGG darauf hingewiesen, dass die Hauptverhandlung ohne vorherigen Bericht bzw. ohne Anwesenheit des Jugendgerichtshelfers nicht stattfinden kann. In diesem Fall ist sie verpflichtet, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Das Anwesenheitsrecht reduziert sich in diesen Fällen zu einer Anwesenheitspflicht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 30.9.1991, 3 Ws 56/91). Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe darf sich in diesen Fällen auch nicht vorzeitig oder vorübergehend aus der Hauptverhandlung entfernen. Nach § 38 Abs. 2 Satz 3 JGG soll in die Hauptverhandlung der Vertreter der Jugendgerichtshilfe entsandt werden, der die Nachforschungen angestellt hat. Dies entspricht der "Sollvorschrift" in Abs. 3. Nimmt ein Vertreter des Sachbearbeiters an der Hauptverhandlung teil, ist der Anwesenheitspflicht grundsätzlich Genüge getan. Es reicht nach den gesetzlichen Vorgaben aus, wenn ein informierter Vertreter teilnimmt. Weder das Gericht noch ein anderer Verfahrensbeteiligter hat einen Anspruch darauf, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung teilnimmt, der den Angeklagten bereits vorher betreut hat. Der Umstand, dass (nur) ein informierter Vertreter des Sachbearbeiters an der Hauptverhandlung teilgenommen und den Bericht erstattet hat, kann auch mit dem Rechtsmittel der Revision nicht erfolgreich angegriffen werden. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 S...