Rz. 28

Die Jugendgerichtshilfe trifft grundsätzlich keine Mitwirkungsverpflichtung an der Hauptverhandlung, es sei denn, das Gericht hat entsprechend Richtlinie 8 S 3 zu § 43 JGG darauf hingewiesen, dass die Hauptverhandlung ohne vorherigen Bericht bzw. ohne Anwesenheit des Jugendgerichtshelfers nicht stattfinden kann. In diesem Fall ist sie verpflichtet, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Das Anwesenheitsrecht reduziert sich in diesen Fällen zu einer Anwesenheitspflicht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 30.9.1991, 3 Ws 56/91). Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe darf sich in diesen Fällen auch nicht vorzeitig oder vorübergehend aus der Hauptverhandlung entfernen. Nach § 38 Abs. 2 Satz 3 JGG soll in die Hauptverhandlung der Vertreter der Jugendgerichtshilfe entsandt werden, der die Nachforschungen angestellt hat. Dies entspricht der "Sollvorschrift" in Abs. 3. Nimmt ein Vertreter des Sachbearbeiters an der Hauptverhandlung teil, ist der Anwesenheitspflicht grundsätzlich Genüge getan. Es reicht nach den gesetzlichen Vorgaben aus, wenn ein informierter Vertreter teilnimmt. Weder das Gericht noch ein anderer Verfahrensbeteiligter hat einen Anspruch darauf, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung teilnimmt, der den Angeklagten bereits vorher betreut hat. Der Umstand, dass (nur) ein informierter Vertreter des Sachbearbeiters an der Hauptverhandlung teilgenommen und den Bericht erstattet hat, kann auch mit dem Rechtsmittel der Revision nicht erfolgreich angegriffen werden. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO kann in diesem Falle nicht erfolgreich gerügt werden.

 

Rz. 29

Anders ist die Situation, wenn kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung teilnimmt, obwohl seitens des Gerichts mit der Terminsmitteilung auf die Unerlässlichkeit der Teilnahme ausdrücklich hingewiesen worden ist (s. o.). Wird in diesem Fall die Hauptverhandlung gleichwohl durchgeführt und mit einem Urteil abgeschlossen, kann mit der Revision eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO gerügt werden. Diese Rüge hat indes nur dann Erfolg, wenn sie nach den strengen strafprozessualen Bestimmungen frist- und formgerecht erhoben ist und insbesondere ordnungsgemäß gerügt wird, dass im Falle der Anwesenheit eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe und durch dessen Bericht ein (konkreter) weiterer Beitrag zur Aufklärung geleistet worden wäre (BGH, Urteil v. 13.9.1977,1 StR 451/77). Allein die Abwesenheit eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung kann revisionsrechtlich nicht als Verletzung der Aufklärungspflicht erfolgreich gerügt werden. Nach überwiegender Auffassung kommen in den Verfahren, in denen die Jugendgerichtshilfe zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheint und deshalb eine Aussetzung der Hauptverhandlung erforderlich wird, strafprozessuale Ordnungsmaßnahmen (Festsetzung von Ordnungsgeld, Auferlegung der verursachten Kosten) nicht in Betracht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 30.9.1991, 3 Ws 56/91). Nur vereinzelt wird eine Auferlegung der Kosten in analoger Anwendung der § 51, § 77 StPO befürwortet (OLG Köln, Urteil v. 24.6.1986, Ss 236/86).

 

Rz. 30

Ein als Zeuge geladener Vertreter der Jugendgerichtshilfe ist – wie jeder andere Zeuge auch – verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten und auszusagen, sofern ihm sein Dienstvorgesetzter im Vorfeld der Hauptverhandlung (s. o.) eine Aussagegenehmigung erteilt hat. Ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO hat der Vertreter der Jugendgerichtshilfe nicht (BVerfG, Beschluss v. 19.7.1972, 2 BvL 7/71). Kommt der Vertreter der Jugendgerichtshilfe einer ordnungsgemäßen Ladung unentschuldigt nicht nach oder sagt er unberechtigt nicht als Zeuge aus, können gegen ihn die in § 51, § 70 StPO genannten Ordnungsmittel festgesetzt und ihm die durch sein Fernbleiben bzw. seine Eidesverweigerung verursachten Kosten auferlegt werden.

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