Rz. 42
Im Hinblick auf die erheblichen Auswirkungen, die eine Haftanordnung insbesondere für einen jungen Menschen haben kann, ist die Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe im Zusammenhang mit der Anordnung von Untersuchungshaft gegen einen Jugendlichen besonders geregelt.
Untersuchungshaft darf gegen einen Jugendlichen über die in §§ 112ff. StPO aufgeführten Voraussetzungen hinaus nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. Die Einzelheiten sind in § 72 JGG geregelt. Die Vollstreckung von Untersuchungshaft gegen einen Jugendlichen kommt danach nur ausnahmsweise in Betracht, sie ist "ultima ratio". In jedem Verfahren ist zunächst zu prüfen, ob die Untersuchungshaft durch die Anordnung anderer Maßnahmen vermieden oder zumindest verkürzt werden kann.
Rz. 43
Vor diesem Hintergrund enthält das JGG in diesen Verfahren besondere Unterrichtungspflichten. Nach § 72a Satz 2 JGG ist die Jugendgerichtshilfe bereits von der vorläufigen Festnahme eines Jugendlichen zu unterrichten, wenn nach dem Stand der Ermittlungen zu erwarten ist, dass der Jugendliche gemäß § 128 StPO dem Richter vorgeführt wird. In jedem Fall ist die Jugendgerichtshilfe unverzüglich von der Vollstreckung eines Haftbefehls gegen einen Jugendlichen zu unterrichten; bereits der Erlass eines (noch nicht vollstreckten) Haftbefehls soll ihr mitgeteilt werden (§ 72a Satz 1 JGG). Zur Sicherung dieser besonderen Unterrichtungspflichten hat es sich in der Praxis gut bewährt, die sog. Haftentscheidungshilfe ergänzend durch gemeinsame Erlasse der beteiligten Ressorts auf Landesebene (z. B. in NRW durch den gemeinsamen Erlass v. 3.5.1995 – "Haftentscheidungshilfe im Jugendstrafverfahren" – in Verbindung mit der gemeinsamen Konzeption über Grundlagen und praktische Ausgestaltung der Unterbringung von Jugendlichen gemäß § 71 Abs. 2 und § 72 Abs. 4 JGG in geeigneten Heimen der Jugendhilfe – JMBl. NW 1995 S. 814 f.) zu regeln. In der vorerwähnten Konzeption ist im Übrigen ausdrücklich bestimmt, dass die mit einer Unterbringung zur Haftvermeidung verbundenen Kosten die Justiz trägt.
Mit den besonderen Unterrichtungspflichten in § 72a JGG korrespondiert die Verpflichtung für die Jugendgerichtshilfe, in Haftsachen beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen zu berichten (§ 38 Abs. 2 Satz 3 JGG).
Rz. 44
Kommt eine Haftvermeidung nicht in Betracht und wird Untersuchungshaft gegen einen Jugendlichen vollstreckt, ist den Vertretern der Jugendgerichtshilfe der Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Umfang wie einem Verteidiger zu gestatten (§ 93 Abs. 3 JGG), d. h. der schriftliche und/oder persönliche Kontakt darf weder überwacht noch beschränkt werden.