2.1 Beratung und Unterstützung unverzüglich nach der Geburt
Rz. 3
Gemäß Abs. 1 Satz 1 hat das Jugendamt nach der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, der Mutter Beratung und Unterstützung anzubieten. Die Hilfe ist unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) anzubieten. Durch den aufgrund von Art. 2 Abs. 23 Nr. 1 des Personenstandsrechtsreformgesetzes neu eingefügten Abs. 4 (bis 31.12.2008 gemäß § 21b Satz 1 PStG) hat das Standesamt die Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, unverzüglich dem Jugendamt anzuzeigen. Damit wird das Jugendamt in den Stand gesetzt, seinerseits unverzüglich zu handeln. Die Beratung und Unterstützung bietet das Jugendamt an. Die Mutter entscheidet, ob sie die Hilfe annimmt. Das Wort "insbesondere" macht deutlich, dass sich die Hilfe nicht allein auf die Vaterschaftsfeststellung und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bezieht. Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 benennt beispielhaft ein weiteres Feld. In Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 sind Gesichtspunkte aufgeführt, auf welche das Jugendamt bei der Beratung und Unterstützung zwingend hinzuweisen hat. Dies umschreibt nicht den Umfang der Hilfe insgesamt, sondern benennt Kernbereiche der Hinweispflicht.
2.1.1 Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung
Rz. 4
Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung wird aus dem Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (BVerfG, Urteil v. 31.1.1989, 1 BvL 17/87, BVerfGE 79 S. 256). Dieses Grundrecht des Kindes muss allerdings je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles abgewogen werden gegenüber widerstreitenden Grundrechten der Mutter (BVerfG, Beschluss v. 6.5.1997, 1 BvR 409/90, BVerfGE 96 S. 56). Die Vaterschaftsfeststellung ist Grundlage für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Gemäß § 1 Abs. 3 UVG besteht kein Anspruch auf Unterhaltsleistung, wenn die Mutter sich weigert, bei der Vaterschaftsfeststellung mitzuwirken.
2.1.2 Vaterschaftsfeststellung
Rz. 5
Möglichkeiten der Vaterschaftsfeststellung sind
- die Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB). Sie bedarf gemäß § 1595 Abs. 1 BGB der Zustimmung durch die Mutter. Beides muss gemäß § 1597 Abs. 1 BGB öffentlich beurkundet werden. Dies kann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 die Urkundsperson beim Jugendamt beurkunden. Ferner kann der Notar, das Amtsgericht, der Standesbeamte oder das Gericht, bei dem die Vaterschaftsklage anhängig ist, die Beurkundung vornehmen.
- Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 3 BGB i. V. m. § 1600 d BGB oder § 182 Abs. 2 FamG durch das Familiengericht.
2.1.3 Beurkundung der Verpflichtung zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen
Rz. 6
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 verpflichtet das Jugendamt im Zuge des Beratungs- und Unterstützungsangebots die Mutter darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit besteht, die Verpflichtung zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen des Kindes nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 durch die Urkundsperson beim Jugendamt beurkunden zu lassen.
2.1.4 Beantragung einer Beistandschaft und deren Bedeutung
Rz. 7
Das Jugendamt muss die Mutter auf die Möglichkeit hinweisen, gemäß § 1712 BGB eine Beistandschaft zu beantragen. Diese hat ihrerseits die Vaterschaftsfeststellung und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Aufgabenbereiche (vgl. dazu die Kommentierung zu § 55 Rz. 3 bis 8). Es handelt sich nach dem Wortlaut sowie der Intention der Vorschrift ausschließlich um ein freiwilliges Hilfsangebot des Jugendamtes. Der Mutter kann dieses freiwillige Hilfsangebot, beispielsweise im Fall der von ihr anstelle der Einrichtung einer Beistandschaft bevorzugt anvisierten Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, demzufolge nicht zu einem verpflichtenden Angebot gemacht werden, weil etwa der Antrag an das Jugendamt der einfachere und kostengünstigere Weg der Rechtswahrnehmung ist, bei dem eine Anwaltsbeiordnung nicht zwingend notwendig erscheint (vgl. hierzu auch OLG Köln, Beschluss v. 26.4.2004, 14 WF 143/04, JAmt 2005 S. 100 = FamRZ 2005 S. 530).
2.1.5 Gemeinsame elterliche Sorge
Rz. 8
Dieser Komplex steht nicht im Zusammenhang mit Vaterschaft oder der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Vielmehr wird durch den Hinweis für nicht miteinander verheiratete Eltern die Möglichkeit aufgezeigt, gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB durch rechtsgeschäftliche Erklärungen die elterliche Sorge gemeinsam zu übernehmen. Die öffentliche Beurkundung der Sorgeerklärungen kann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 die Urkundsperson beim Jugendamt vornehmen (vgl. dazu die Kommentierung zu § 59 Rz. 14). Natürlich können die Eltern auch durch Heirat das gemeinsame elterliche Sorgerecht herstellen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ferner kann das Familiengericht gemäß § 1672 Abs. 2 BGB auf Antrag eines Elternteils mit Zustimmung des anderen Elternteils entscheiden, dass die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
2.1.6 Gespräch mit der Mutter
Rz. 9
Das Jugendamt soll ein persönliches Gespräch mit der Mutter anbieten, welches nach deren Wunsch in ihrer persönlichen Umgebung stattfinden soll. Hierdurch will der Gesetzgeber wohl erreichen, dass das Gespräch nicht telefonisch und nicht im Jugendamt...