2.2.3.1 Gewöhnlicher Aufenthalt bei Erwachsenen
Rz. 11
Der Ausländer muss seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Darunter ist vor allem der Ort zu verstehen, an dem der Betreffende seinen Lebens- und Daseinsmittelpunkt hat (BGH, Beschluss v. 29.10.1980, IVb ZB 586/80). Dies ist auch der Ort, an dem er den Schwerpunkt seiner Bindungen hat. Die Umstände müssen dies erkennen lassen. Dies beinhaltet sowohl objektiv bestehende Tatsachen als auch voluntative Elemente. Zumindest ein natürlicher Wille zur Aufenthaltsbegründung muss vorhanden sein. Dieser Wille muss in die Tat umgesetzt worden sein, d. h. es muss anhand objektiv feststellbarer Tatsachen erkennbar sein, dass der Betreffende an diesem Ort seinen Daseinsmittelpunkt haben will. Auf die formelle Begründung eines Wohnsitzes oder die polizeiliche Meldung kommt es nicht an, sie haben allenfalls Indizwirkung. Nicht nur vorübergehend ist der Aufenthalt, wenn er "zukunftsoffen" ist. I.d.R. ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt unbefristet ist. Aber auch ein befristeter Aufenthalt – etwa aufgrund einer befristeten Aufenthaltserlaubnis – kann zukunftsoffen sein. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände an (BSG, Urteil v. 9.5.1995, 8 RKn 2/94). Wichtige Indizwirkung hat der Zweck, der zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis geführt hat. Ist er vorübergehender Natur (z. B. Schulbesuch, Studium, Sprachkurs), so ist der Aufenthalt wohl nur vorübergehend (BSG, Urteil v. 25.6.1987, 11a REg 1/87 in Bezug auf Asylbewerber).
Rz. 11a
Allerdings können ein Asylbewerber und dessen Kinder, die längerfristig oder gar auf unabsehbare Zeit geduldet werden (nach neuer Diktion des § 60a AufenthG: deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wurde), einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Der Gesetzgeber wollte diese Personengruppe ausdrücklich in § 6 Abs. 2 einbeziehen und hat deshalb den Begriff der Duldung in das Gesetz geschrieben. Dies gilt unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen auch für Asylbewerber, deren Asylantrag bestandskräftig abgelehnt wurde. Ein Ausländer kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. § 86 Abs. 1 Satz 1 im Bundesgebiet haben und beibehalten, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Ausländerbehörden davon auszugehen ist, dass er nicht nur vorübergehend, sondern auf nicht absehbare Zeit im Bundesgebiet verbleiben wird. Abzustellen ist dabei auf eine in die Zukunft gerichtete Prognose unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse. Gerade bei Asylbewerbern, die abgelehnt wurden und nur noch geduldet werden, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie trotz der endgültigen Ablehnung des Asylantrags bis auf Weiteres nicht mit einer Abschiebung rechnen müssen und in der BRD verbleiben können (BVerwG, Urteil v. 2.4.2009, 5 C 2/08).
2.2.3.2 Gewöhnlicher Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen
Rz. 12
Bei Kindern und Jugendlichen ist für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Wille des Personensorgeberechtigten maßgeblich. Er hat das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes oder des Jugendlichen zu bestimmen. Ein davon abweichender Wille des Kindes oder des Jugendlichen tritt demgegenüber zurück (BVerwG, Urteil v. 15.5.1986, 5 C 68/84). Der Aufenthaltsort der Personensorgeberechtigten bleibt auch dann maßgeblich, wenn das Kind oder der Jugendliche sich vorübergehend in einer Pflegefamilie, in Heimerziehung oder im Internat aufhält. Auch die auswärtige Unterbringung im Rahmen einer Erziehungsmaßregel nach §§ 9, 12 JGG oder im Jugendstrafvollzug ändert den gewöhnlichen Aufenthalt nicht.
Rz. 13
Gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er Hilfe zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie oder Hilfe für junge Volljährige nach dem SGB VIII erhält; das gilt nicht für einen Minderjährigen, dessen Eltern oder dessen allein personensorgeberechtigter Elternteil sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Auf die mögliche Konsequenz der Ausweisung bzw. Rückschaffung muss der Jugendhilfeträger gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 den Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen hinweisen. Die Entscheidung über die Ausweisung steht im Ermessen der Ausländerbehörde. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Ausweisung muss geeignet und erforderlich sein, um die durch seinen Aufenthalt im Inland bedingte Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und sie muss unter Berücksichtigung seiner Belange angemessen sein. Dabei muss auf die Art der Hilfe und die Gegebenheiten des Einzelfalles abgestellt werden.
2.2.3.3 Sonderregelung für Umgangsberechtigte
Rz. 14
Die Neuregelung durch das KICK (BGBl. I S. 2729) ermöglicht für Umgangsberechtigte mit tatsächlichem oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, die Beratung und Unterstützung ...