0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 64 ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) seit 10.6.2021 in Kraft.
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) hat der Gesetzgeber Abs. 2a eingefügt (vgl. Rz. 6). Die Vorschrift gilt seit dem 1.10.2005 in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung des SGB VIII (BGBl. I S. 2022).
Durch Art. 1 Nr. 43 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde § 64 mit Wirkung zum 10.6.2021 geändert. Durch Art. 1 Nr. 43 Buchst. a wurde ein neuer Abs. 2b eingefügt; durch Art. 1 Nr. 43 Buchst. b ein neuer Abs. 4. Ursprünglich sollte die Vorschrift nur um einen neuen Abs. 4 ergänzt werden (BR-Drs. 5/21, S. 18, 108 = BT-Drs. 19/26107, S. 27, 107); auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)) ist dann noch ein Abs. 2b ergänzt worden und der Verweis in Abs. 4 auf § 4 Abs. 1 KKG auf § 4 Abs. 3 KKG geändert worden (vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 54 f. und 107 ff.).
1 Allgemeines
Rz. 2
Struktur der Vorschrift: Sozialdaten dürfen nach dem Grundsatz des Abs. 1 nur zu dem Zweck übermittelt oder genutzt werden, zu dem sie erhoben worden sind. Hinsichtlich der Begriffe der Datenübermittlung und -nutzung ist auf die Begriffsbestimmungen des SGB X, § 67 Abs. 6 Nr. 3 und Abs. 7, zurückzugreifen. Abs. 2 normiert zu dem Grundsatz des Abs. 1 insofern eine Einschränkung, als danach eine Übermittlung zur Erfüllung von Aufgaben nach § 69 SGB X nur dann zulässig ist, soweit dadurch der Erfolg einer zu gewährenden Leistung nicht infrage gestellt wird. Sozialdaten sind nach Abs. 2a vor der Übermittlung an eine Fachkraft, die der verantwortlichen Stelle nicht angehört, zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, sofern das die Aufgabenerfüllung zulässt. Abs. 2b regelt das Recht zur Übermittlung und Nutzung von Sozialdaten bei wissenschaftlichen Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR. Nach Abs. 3 dürfen Sozialdaten beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck der Planung i. S. d. § 80 gespeichert oder genutzt werden. Der Grundsatz des Abs. 1 erfährt damit im Hinblick auf Sozialdaten, die zum Zwecke der Jugendhilfeplanung gespeichert oder genutzt werden, eine Lockerung. Zu beachten ist die Pflicht zur unverzüglichen Anonymisierung; zum Begriff der Anonymisierung vgl. Begriffsbestimmung des § 67 Abs. 8 SGB X. Abs. 4 schließlich enthält Regelungen zur Datenübermittlung an Berufsgeheimnisträger i. S. d. § 4 Abs. 1, 3 KKG.
Rz. 3
Das soziale Datenschutzrecht ist allgemeinrechtlich im SGB X geregelt. Korrespondierende Regelungen finden sich in §§ 67b, 67d, 67e und 68 ff. SGB X. Weitere ergänzenden Vorschriften finden sich insbesondere in § 75 SGB X (Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung), in § 9e Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Adoptionsvermittlungsgesetz und in der Datenschutz-Grundverordnung in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst e i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. j Verordnung (EU) 2016/679.
Rz. 4
Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), die regelmäßig in der Fachzeitschrift "Das Jugendamt (JAmt)" veröffentlicht werden, sind im Volltext auf der Webseite des DIJuF unter der Rubrik Publikationen, JAmt – Fachzeitschrift abrufbar (https://dijuf.de/veroeffentlichungen/jamt-fachzeitschrift, zuletzt abgerufen am 31.3.2023).
2 Rechtspraxis
2.1 Zweckidentität nach Abs. 1
Rz. 5
Nach Abs. 1 dürfen Sozialdaten zu dem Zweck übermittelt oder genutzt werden, zu dem sie erhoben worden sind. Bei Übereinstimmung von Erhebungs- und Weiterverwendungszweck entfällt im Hinblick auf die Datenübermittlung und -nutzung damit eine eigenständige Zulässigkeitsprüfung. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Datenerhebung zweckorientiert (mit dem Ziel der weiteren Verwendung) erfolgt und ihre Zulässigkeit ohnehin schon nach den Kriterien des § 62 beurteilt wird, auch folgerichtig. Aus Abs. 1 folgt dementsprechend, dass im Falle einer Zweckänderung eine besondere Befugnis zur Nutzung vorliegt, entweder durch eine erneute Einwilligung oder eine gesetzliche Ermächtigung.
Rz. 6
Abs. 1 entspricht vom Regelungszweck den allgemein datenschutzrechtlichen Vorschriften im SGB X; hier § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X. Die spezielle jugendhilferechtliche Datenschutzregelung des § 64 Abs. 1 geht insoweit als lex spezialis der Vorschrift des § 69 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB X vor (a. A. Salgo/Kepert, ZKJ 2020 S. 414, 416 m.w.N, der Abs. 1 keine eigenständige Bedeutung zukommen lassen will; letztlich hat diese Frage aber keine praktische Relevanz, da entweder allein auf § 64 Abs. 1 oder allein auf § 69 Abs. 1 SGB X oder auf § 69 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 64 Abs. 1 abzustellen ist, was zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führt. Soweit § 69 SGB X über den Anwendung...