Rz. 13
Aus Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 ergeben sich die Tatbestände einer zulässigen Datenweitergabe. Die Weitergabebefugnisse stehen nach dem Wortlaut der Norm nur dem Mitarbeiter zu, dem die Sozialdaten anvertraut wurden. Die Annahme einer "mittelbaren Adressierung" an die Träger kommt bezüglich der Befugnis zur Weitergabe nicht in Betracht.
Rz. 14
Der Katalog ist abschließend und nicht erweiterbar (so i.E. auch LG Koblenz, Beschluss v. 15.9.2022, 4 Qs 56/22, Rz. 16). Fallgruppen müssen alternativ vorliegen, nicht kumulativ. Es schadet jedoch nicht, wenn mehrere Fallgruppen erfüllt sind.
2.1.1.3.1 Einwilligung nach Nr. 1
Rz. 15
Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist die Datenweitergabe dann zulässig, wenn die Einwilligung (also die vorherige Zustimmung) dessen, der die Daten anvertraut hat, vorliegt (zur Einwilligung des Jugendlichen zur Weitergabe der von ihm gegenüber den Fachkräften des Allgemeinen Sozialen Dienst anvertrauten Daten vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 29.11.2021, SN_2021_0155 Gö, JAmt 2022, 204).
Rz. 15a
Anvertrauender können sein, das Kind oder der Jugendliche, die Kindesmutter, der Kindesvater und die Pflegeeltern des Kindes (zu einem Anwendungsfall vgl. VG Bremen, Urteil v. 28.11.2022, 4 K 503/21, Rz. 34).
2.1.1.3.2 Kindeswohlgefährdung nach Nr. 2
Rz. 16
Wenn angesichts einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen ohne die Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden kann, dürfen auch anvertraute Sozialdaten weitergegeben werden.
Rz. 17
Adressat der Übermittlung ist das Familiengericht.
2.1.1.3.3 Wechsel Fallzuständigkeit nach Nr. 3 und Fachkräfte nach Nr. 4
Rz. 18
Die Tatbestände Nr. 3 und Nr. 4 sind in Abs. 1 Satz 1 mit dem KICK eingefügt worden. Die damit vorgenommene Erweiterung der Weitergabebefugnisse begründet der Gesetzgeber damit, dass nach bisherigem Recht im Falle eines Zuständigkeitswechsels innerhalb eines Jugendamtes oder von einem Träger der örtlichen Jugendhilfe zum anderen, die Übermittlung der anvertrauten Daten nur möglich war, wenn einer der Tatbestände der Nr. 1 bis 3 vorlag. Dieses Ergebnis erschien bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung i. S. d. § 1666 Abs. 1 BGB, die noch keine Anrufung des Familiengerichts und auch nicht den Schluss auf eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr i. S. d. § 34 StGB gerechtfertigt haben, als unbefriedigend. Hinweise, die für eine Risikoabschätzung wertvoll sind, gingen damit verloren. Die Erweiterung der Weitergabebefugnisse erfolge im Interesse eines effektiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung (BT-Drs. 15/3676 S. 38 f.). Diese gesetzgeberische Entscheidung zur Erweiterung der Befugnisse ist ausdrücklich zu begrüßen, denn schließlich sollte dem Kinderschutz gegenüber dem Datenschutz immer der Vorrang eingeräumt werden. Ein Vorrang des Strafverfolgungsinteresses gegenüber dem Vertraulichkeitsschutz in der öffentlichen Jugendhilfe besteht nicht. Auch insoweit bedarf es der Einwilligung (LG Oldenburg, Beschluss v. 25.7.2017, 6 Qs 35/17).
2.1.1.3.4 Geheimnisoffenbarung § 203 StGB nach Nr. 5
Rz. 19
Sofern eine Geheimnisoffenbarung nach den strafrechtlichen Vorgaben des § 203 Abs. 1 und Abs. 4 StGB zulässig ist, dürfen anvertraute Sozialdaten ebenfalls weitergegeben werden (auf die Komm. zu § 203 StGB wird Bezug genommen).
Rz. 19a
Dabei dürfen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i. V. m. § 203 Abs. 1, 4 StGB i. V. m. § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X auch im Kontext persönlicher und erzieherischer Hilfen anvertraute Daten für Zwecke der Rechnungsprüfung übermittelt werden (DIJuF-Rechtsgutachten v. 31.1.2022, SN_2021_0393 Bd, JAmt 2022, 271).
2.1.1.3.5 Adoptionsvermittlung in der DDR nach Nr. 6
Rz. 20
Die durch das KJSG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) mit Wirkung zum 10.6.2021 eingefügte Regelung entspricht der ebenfalls durch das KJSG eingefügten Regelung in § 64 Abs. 2b und regelt die Befugnis zur Weitergabe und Übermittlung anvertrauter Sozialdaten, soweit dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR erforderlich ist – Nr. 6 Satz 1 (vgl. auch die Gesetzesmotive in BT-Drs. 19/28870 S. 109).
Rz. 21
Soweit Erziehungshilfe-, Heim- oder Vormundschaftsakten der DDR-Jugendhilfe einem Mitarbeiter des Jugendamtes zum Zwecke der persönlichen und erzieherischen Hilfe anvertraute Sozialdaten enthalten, ist zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR und damit zur weiteren Aufarbeitung von DDR-Unrecht auch insoweit eine Aktenübermittlung zu ermöglichen, da nur durch Aufklärung aller Umstände die Frage nach einer möglichen politischen Motivation in DDR-Adoptionsverfahren beantwortet werden kann (BT-Drs. 19/28870 S. 109).
Rz. 22
Wie auch bei der Einfügung von Abs. 2b in § 64 durch das KJSG ergibt sich die europäische Rechtsgrundlage der Änderung aus den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung, die sich in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 finden (hierauf weist der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien hin, vgl. BT-Drs. 19/28870 S. 109).
Rz. 23
Ziel ...