0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die mit dem SGB VIII in die Kinder- und Jugendhilfe eingefügte Norm ist durch das 2. SGB-ÄndG v. 13.6.1994 (BGBl. I S. 1229) und das Beistandschaftsgesetz v. 4.12.1997 (BGBl. I S. 2846) überarbeitet worden. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) hat der Gesetzgeber die Begriffe der "Verarbeitung" und "Nutzung" durch den Begriff der "Verwendung" ersetzt und die Unterscheidung von Akten und sonstigen Datenträgern aufgegeben (vgl. § 61 Rz. 2). Des Weiteren ist mit dem KICK Abs. 3 um den Satz 3 erweitert worden. Damit hat nunmehr der Elternteil, der eine Beistandschaft beantragt hatte, während der Minderjährigkeit des jungen Menschen ein eigenes Recht auf Kenntnis der im Jugendamt gespeicherten Beistandsdaten (vgl. zur Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/3676 S. 39). Die Vorschrift ist zum 1.10.2005 eingefügt worden und gilt seit der Neufassung des SGB VIII zum 1.1.2012 in der Fassung des BGBl. I S. 2022.
Rz. 1a
Durch Art. 129 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) wurde mit Wirkung zum 26.11.2019 Abs. 1 Satz 1 geändert, Abs. 1 Satz 3 eingefügt sowie Abs. 2, 3 und 4 geändert.
Rz. 1b
Durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen und grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen, zur Änderung der Zivilrechtshilfe, des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, zur Anpassung von Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz und zur Verbraucherrechtsdurchsetzung sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 24.6.2022 (BGBl. I S. 959) wurde Abs. 5 mit Wirkung zum 1.1.2023 aufgehoben.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift trifft eine Sonderregelung für den Sozialdatenschutz im Bereich der Beistandschaft, Amtspflegschaft und der Amtsvormundschaft. Im Hinblick auf § 61 Abs. 2 wird als streitig angesehen, ob für den Anwendungsbereich der Vorschrift lediglich die übrigen Bestimmungen des Sozialdatenschutzes des Kinder- und Jugendhilferechts oder auch die Anwendung von § 35 SGB I und §§ 67 bis 85a SGB X ausgeschlossen sein sollen. Es wird auf die Ausführungen zu § 61 Bezug genommen. § 68 stellt eine abschließende Sonderregelung dar. Zu der Frage, ob dies nur für die spezifische Tätigkeit des einzelnen Beamten oder Angestellten als Amtspfleger, Amtsvormund, Beistand und Gegenvormund gilt oder ob die gesamte Tätigkeit des Jugendamtes in diesem Zusammenhang durch die Vorschrift geregelt wird, vgl. Komm. zu § 61. Eine Änderung oder Neuregelung ist seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO – VO (EU) 2016/679, ABl. L 119 v. 4.5.2016 S. 1) nicht erfolgt. Dies ist auch nicht erforderlich, weil die Norm die höherrangigen Vorgaben der DSGVO erfüllt (vgl. auch Kirchhoff, in: Luthe/Nellissen, juris-PK SGB VIII, § 68 Rz. 8).
2 Rechtspraxis
2.1 Datenerhebung und -verwendung (Abs. 1)
Rz. 3
Nach Abs. 1 Satz 1 darf der Beamte oder Angestellte, dem die Ausübung der Beistandschaft, Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft übertragen ist, Sozialdaten nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Mit der Formulierung "seiner Aufgaben" weicht die Vorschrift von den in §§ 62 f. vorgenommenen Bezugnahmen auf die "jeweiligen Aufgaben" ab. Gleichwohl ist für die Prüfung der Zulässigkeit einer Datenerhebung und -verwendung nach § 68 auf die Aufgabe in einem konkreten Einzelfall abzustellen (Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 68 Rz. 1).
Rz. 4
Nach Abs. 1 Satz 2 ist die Nutzung der Daten i. S. d. Abs. 1 Satz 1 zum Zweck der Aufsicht, Kontrolle oder Rechnungsprüfung durch die dafür zuständigen Stellen sowie die Übermittlung an diese im Hinblick auf den Einzelfall zulässig. Im Unterschied zu der vergleichbaren allgemeinen Vorschrift des § 67c Abs. 3 SGB X wird eine gesetzliche Fiktion, dass keine "Nutzung für andere Zwecke" vorliege, nicht getroffen. Es wird vielmehr die Nutzung und Übermittlung der Daten "im Hinblick auf den Einzelfall" für zulässig erachtet (Näheres hierzu vgl. Mörsberger, in: Wiesner, § 68 Rz. 10; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 68 Rz. 9).
Rz. 4a
In Abs. 1 Satz 3 werden die umfassenden Informationspflichten aus Art. 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679 für den Beistand, Amtspfleger und Amtsvormund eingeschränkt. Mit dieser Einschränkung wird dem besonderen Verhältnis des Amtspflegers, Amtsvormunds oder Beistands zu der betroffenen Person Rechnung getragen. Die Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft dient vor allem der elternähnlichen und nur an den Interessen des Kindes oder Jugendlichen ausgerichteten Vertretung desselben (vgl. §§ 1793, 1915 und 1716 BGB). Sie ist zwar auch eine Hilfe, aber keine Sozialleistung. Durch den Beistand, Amtspfleger und Amtsvormund erfolgt eine gesetzliche Vertretung Minderjähriger; diese ist keine unmittelbare Jugendhilfe im engeren Sin...