2.1 Vorrang des Landesrechts
Rz. 3
Absatz 1 will den Strukturveränderungen infolge der Föderalismusreform Rechnung tragen. Insbesondere soll das sog. Aufgabendurchgriffsverbot in Art 84 Abs. 1 Satz 7 GG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 28.8.2006 (BGBl. I S. 2034) umgesetzt werden. Danach dürfen durch Bundesgesetz Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden. Wie in vielen anderen durch die Auswirkungen der Föderalismusreform berührten Bereichen hat sich realiter nichts geändert: Das duale System der Trägerschaft durch örtliche und überörtliche Träger der Jugendhilfe besteht fort, indem ein Teil der Bundesländer in ihren Ausführungen zum SGB VIII Regelungen aufgenommen haben, die den bisherigen Regelungen in § 69 Abs. 2, 5 und 6 entsprechen. Die übrigen Bundesländer hatten dies bereits zuvor in ihren Ausführungsgesetzen deklaratorisch geregelt, so dass es keiner Neuregelung bedurfte. Die Befürchtung, auch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe werde infolge der Föderalismusreform ein großes Organisationswirrwarr entstehen, hat sich somit bisher nicht bewahrheitet.
2.2 Örtliche Träger
Rz. 3a
Örtliche Träger sind demnach die Kreise und kreisfreien Städte. Sie nehmen diese Aufgaben als Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Dabei handelt es sich um die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Für diese garantiert Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden das Recht zur Selbstverwaltung. Zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten gehört traditionell die öffentliche Fürsorge. Vor Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Armenfürsorge als eine der Aufgaben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung innerhalb des örtlichen Gemeinwesens empfunden. Hieraus entstanden im 19. Jahrhundert Strukturen der Armenfürsorge und der Jugendfürsorge. Letztere blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein eine auf die jeweilige Kommune begrenzte Regelungsmaterie. Erst das am 1.4.1924 in Kraft getretene Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und das 1953 nachfolgende Jugendwohlfahrtsgesetz bildeten als Vorläufer des SGB VIII eine reichs- bzw. bundeseinheitliche gesetzliche Grundlage. Die Jugendhilfe wurde indes weiterhin als Selbstverwaltungsangelegenheit verstanden. Dies bedeutet, dass die örtlichen Träger zwar der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht der kommunalen Aufsichtsbehörde unterliegen.
2.3 Überörtliche Träger
Rz. 4
Die überörtlichen Träger bestimmte schon vor der Änderung durch das KiföG das Landesrecht. Auch diese Bestimmungen sind in den jeweiligen Ausführungsgesetzen zum KJHG (AGKJHG) enthalten. In einem Teil der Bundesländer nimmt das jeweilige Land selbst die Stellung des überörtlichen Trägers wahr, andere wiederum haben selbständige Landesoberbehörden mit den Aufgaben des Landesjugendamtes als überörtlicher Träger betraut. In Baden-Württemberg nimmt der Kommunalverband für Jugend und Soziales, in Nordrhein-Westfalen nehmen die Landschaftsverbände die Aufgaben des überörtlichen Trägers wahr.
2.4 Kreisangehörige Gemeinden als örtliche Träger
Rz. 5
Nachdem Abs. 2 aufgehoben wurde, eröffnen die Ausführungsgesetze der Länder die Möglichkeit, Aufgaben des örtlichen Trägers auf kreisangehörige Gemeinden zu übertragen. Diese Möglichkeit der Übertragung ist in einer Reihe von Bundesländern in den jeweiligen Ausführungsgesetzen vorgesehen: § 5 LKJHG Baden-Württemberg, § 1 Abs. 2 AGKJHG Brandenburg, § 5 Abs. 2 KJHG Hessen, § 2 AG KJHG Nordrhein-Westfalen, § 2 Abs. 2 AGKJHG Rheinland-Pfalz, § 1 Abs. 4 AGKJHG Saarland, § 1 Abs. 2 KJHG-LSA Sachsen-Anhalt, § 47 Abs. 1 S. 2 JuFöG Schleswig-Holstein. Aufgrund der landesgesetzlichen Vorschriften erfolgt die Übertragung durch Rechtsverordnung. Voraussetzung für die Übertragung ist neben der Antragstellung die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinde. Die Leistungsfähigkeit muss in Bezug auf alle im SGB VIII vorgesehenen Leistungen und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe bestehen. Mithin sind nicht allein finanzielle, sondern auch personelle und fachliche Anforderungen zu erfüllen. Mit der Aufgabenübertragung geht die funktionale Zuständigkeit auf die kreisangehörige Gemeinde über. Nicht geregelt ist die Rückübertragung der Zuständigkeit an den Kreis. Sie kommt (als actus contrarius) dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Übertragung nicht mehr gegeben sind, d. h. wenn die Gemeinde es beantragt oder wenn deren Leistungsfähigkeit nicht mehr besteht. Abs. 2 Satz 2 zeigt auf, dass die Trägerzuständigkeit für die restlichen kreisangehörigen Gemeinden geregelt werden muss und lässt den Spielraum, dies auf andere Weise sicherzustellen.
2.5 Jugendamt und Landesjugendamt
Rz. 6
Absatz 3 verpflichtet den örtlichen Träger zur Einrichtung eines Jugendamtes, den überörtlichen Träger zur Einrichtung eines Landesjugendamtes und regelt mithin die Einrichtung der Behörden. Der jeweilige Träger ist mithin verpflichtet, ein Jugendamt bzw. Landesjugendamt als selbständige Organisationseinheit zu errichten und ihm die Aufgaben nach dem SGB VIII zur Ausübung zu übertragen. Die Ausgliederung einzelner Aufgaben ist daher unzulässig. Auch Verwaltungsmodernisierer haben diese bundesrechtliche Regelung zu beachten. Unbedenklich ...