2.1.1 Einrichtung
Rz. 2
Es muss um die Leistung einer Einrichtung gehen. Der Begriff der Einrichtung ist auch hier (wie in § 77) als umfassender Oberbegriff anzusehen, der auch Dienste einschließt, soweit sie von der Formulierung in § 78 erfasst sind. Das ist z. B. bei der pflegesatzfinanzierten Familienpflege der Fall, wenn es sich um institutionalisierte, von der konkreten Pflegeperson unabhängige Pflegestellen handelt . Soweit die Leistung der Einrichtung auch begleitende oder ergänzende Maßnahmen in ambulanter Form umfasst, gelten §§ 78a ff. nur für die Teile der Leistung, die in der Einrichtung erbracht werden.
2.1.2 Erbrachte Leistung
Rz. 3
Die Leistung muss "erbracht" werden. Damit bringt das Gesetz keine zeitliche, sondern eine sachliche Voraussetzung zum Ausdruck. Mit dieser Formulierung wird klargestellt, dass aus dem Abschluss einer Vereinbarung i.S.d. §§ 78a ff. noch keine Pflicht zur Inanspruchnahme bzw. (in früherer Terminologie) "Belegung" einer Einrichtung entsteht. Vielmehr bleibt es bei dem Vorrang des Grundverhältnisses. In dieser Rechtsbeziehung hat der öffentliche Träger der Jugendhilfe vorrangig und einzelfallabhängig zu prüfen, ob und welche Einrichtung zur Erbringung der Jugendhilfe geeignet ist. Erst wenn es unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Jugendlichen im Rahmen der Hilfeplanung nach § 39 zur Auswahl einer geeigneten konkreten Einrichtung gekommen ist, kann von einem "Erbringen" i. S. d. § 78b gesprochen werden. Das Belegungs- bzw. Betriebsrisiko verbleibt daher auch nach Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 78a bei dem Träger der Einrichtung.
2.1.3 Abschluss einer Vereinbarungstrias
Rz. 4
Eine Vereinbarung über Leistung nach Abs. 1 Nr. 1, Entgelt Abs. 1 Nr. 2 und Qualitätsentwicklung Abs. 1 Nr. 3, die sog. "Vereinbarungstrias" ist grundsätzlich zwingende Vorbedingung der Entgeltübernahme. Nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 3 kann hiervon eine Ausnahme zugelassen werden. Mit der Formulierung "abgeschlossen worden sind" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass ein bloßer Beginn von Vertragsverhandlungen mit dem Ziel einer Vereinbarung i. S. d. § 78b Abs. 1 nicht ausreicht. Allerdings wird der Abschluss ggf. durch den Spruch der Schiedsstelle nach § 78g oder eine (endgültige oder vorläufige) Gerichtsentscheidung ersetzt (siehe Kommentierung zu § 78g). Auch diese Fälle sowie ein bloßes Fortgelten von Vereinbarungen gemäß § 78d Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 genügen den Anforderungen des § 78a Abs. 1. Umstritten ist, ob ein Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Vereinbarung besteht (verneinend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zu Einrichtungen des BSGH, Urteil v. 30.9.1993, 5 C 41/91). Mit Blick auf die Tatsache, dass ein Vertragsschluss faktische Bedingung des Marktzutritts darstellt und daher auch die Berufsfreiheit der Einrichtungsträger berührt, ist ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Einrichtungsträger gegeben (vgl. VG Berlin, Urteil v. 15.2.2005, 13 A 1148/03; VG Berlin, Beschluss v. 19.10.2004, 18 A 404.04; VG Karlsruhe, Urteil v. 14.2.2006, 8 K 1878/04).
Rz. 4a
Einzelfälle: Eine Entgeltvereinbarung nach § 78b Abs. 1 Nr. 2 SGB kann u. a. auch die Übernahme von WLAN-Kosten beinhalten (DIJuF-Rechtsgutachten v. 21.12.2020, SN_2020_1345 Eh, JAmt 2021 S. 89).
2.1.4 Qualitätsmerkmale nach § 79a Satz 2
Rz. 4b
Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 der zwingende Inhalt der Vereinbarungen erweitert auf die Qualitätsmerkmale nach § 79a Satz 2 (vgl. Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz).
Rz. 4c
Dies hat i. S. des Kindeswohls klarstellende Funktion und verfolgt den Zweck, die Qualitätsmerkmale zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und zum Schutz vor Gewalt sowie zur inklusiven Ausrichtung der Aufgabenwahrnehmung und zur Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse von jungen Menschen mit Behinderungen zu einem zentralen Gegenstand der Qualitätsentwicklungsvereinbarungen bei stationären Leistungen zu machen (BR-Drs. 5/21 S. 19, 110 = BT-Drs. 19/26107 S. 29, 110).
2.1.5 Inhalt der Vereinbarungen
Rz. 5
Anstelle der bisher in § 77 generell genannten Vereinbarung erfolgt in § 78b eine (gesetzlich zwingende) Unterscheidung nach Leistungsvereinbarung, Entgeltvereinbarung und Qualitätsentwicklungsvereinbarung. Dabei stehen diese Ebenen nicht losgelöst, sondern im Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander. Die Leistungsvereinbarung steht an erster Stelle. Von ihr leiten sich die übrigen beiden Vereinbarungen ab. Art und Umfang der Leistungen bestimmen im Wesentlichen das Entgelt. Die Eigenschaften der erbrachten Leistung sowie ihr Verhältnis zum Entgelt machen im Wesentlichen die Qualität aus.
Rz. 6
Mit der Verpflichtung, sich bereits auf der generellen vertraglichen Ebene näher mit qualitativen Aspekten zu befassen, wird auch hervorgehoben, dass dem Jugendamt unbeschadet der Autonomie der Einrichtungsträger und unabhängig von den Aufgaben der Heimaufsicht nicht nur die Funktion des Kostenträgers, sondern eine originäre Gesamtverantwortung für die fachliche Ausgestaltung der Hilfe gegenüber dem Leistun...