Rz. 5

Anstelle der bisher in § 77 generell genannten Vereinbarung erfolgt in § 78b eine (gesetzlich zwingende) Unterscheidung nach Leistungsvereinbarung, Entgeltvereinbarung und Qualitätsentwicklungsvereinbarung. Dabei stehen diese Ebenen nicht losgelöst, sondern im Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander. Die Leistungsvereinbarung steht an erster Stelle. Von ihr leiten sich die übrigen beiden Vereinbarungen ab. Art und Umfang der Leistungen bestimmen im Wesentlichen das Entgelt. Die Eigenschaften der erbrachten Leistung sowie ihr Verhältnis zum Entgelt machen im Wesentlichen die Qualität aus.

 

Rz. 6

Mit der Verpflichtung, sich bereits auf der generellen vertraglichen Ebene näher mit qualitativen Aspekten zu befassen, wird auch hervorgehoben, dass dem Jugendamt unbeschadet der Autonomie der Einrichtungsträger und unabhängig von den Aufgaben der Heimaufsicht nicht nur die Funktion des Kostenträgers, sondern eine originäre Gesamtverantwortung für die fachliche Ausgestaltung der Hilfe gegenüber dem Leistungsberechtigten und den Kindern und Jugendlichen zugewiesen ist (Wiesner, ZfJ 1999 S. 79, 81).

2.1.5.1 Leistungs- und Entgeltvereinbarung

 

Rz. 7

Die Inhalte der Leistungs- und der Entgeltvereinbarung bestimmt das Gesetz im Einzelnen in § 78c, auf dessen Kommentierung insoweit verwiesen wird. Bezüglich der Vereinbarung über die Qualitätsentwicklung ist § 78b Abs. 1 Nr. 3 die alleinige Rechtsgrundlage. Im sog. jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer liegt regelmäßig ein privatrechtlicher Vertrag vor, dem der Jugendhilfeträger durch Bewilligung der Kostenübernahme als weiterer Schuldner beitritt. Dieser Schuldbeitritt erfolgt mittels privatrechtsgestaltendem Verwaltungsakt, durch den der Leistungserbringer zugleich einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Jugendhilfeträger erwirbt. Dadurch wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Aus der Entgeltvereinbarung selbst ergibt sich kein Anspruch des Leistungserbringers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Entgeltübernahme. Dieser folgt erst aus der ausdrücklichen Kostenzusage im Einzelfall (Bay VGH, Urteil v. 19.6.2018, 12 C 18.313).

2.1.5.2 Qualitätsentwicklungsvereinbarung

 

Rz. 8

Die Qualitätsentwicklungsvereinbarung enthält die Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote, und zwar nicht nur im Sinne einer Beschreibung des bestehenden Zustandes, sondern auch mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Leistungsangebote. Die Sicherung der Qualität im Bereich des Sozialen und vor allem der Jugendhilfe ist ein ständiger Prozess der (Weiter-)Entwicklung. Dies soll mit der Bezeichnung Qualitätsentwicklungsvereinbarung zum Ausdruck gebracht werden (so auch RegBegr., BT-Drs. 13/10330 S. 17; vgl. dazu auch Baltz, NDV 1998 S. 377, 380; Merchel, NDV 1998 S. 382; Wabnitz, ZfJ 1999 S. 123). Dabei ist (im Anschluss an die grundlegende Untersuchung von Donabedian zur Qualität im Gesundheitswesen; vgl. Merchel, NDV 1998 S. 382 sowie Wabnitz, ZfJ 1999 S. 123) zwischen den Ebenen der Struktur-, Verfahrens- und Ergebnisqualität zu unterscheiden (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 17). Strukturqualität benennt die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um die vereinbarte Leistung zu erbringen. Sie bezieht sich auf die bauliche und technische Ausstattung, den Personalschlüssel sowie die Qualifikation der Fachkräfte. Wesentliche Merkmale der Strukturqualität sind daher bereits der Betriebserlaubnis nach § 45 zu entnehmen bzw. in der Leistungsvereinbarung festzulegen. Prozessqualität beschreibt die Abläufe und Verantwortlichkeiten innerhalb der Einrichtung. Sie bezieht sich auf die Erziehungsplanung, den Erziehungsstil, die Erziehungsatmosphäre, die (auch interdisziplinäre) Koordination, die Teamarbeit, die Elternarbeit, die Umfeldintegration, die Mitwirkung der Jugendlichen bei der Hilfeplanung, die Besuchs- und Beurlaubungspraxis sowie die Aufnahme-, Verlegungs- und Entlassungspraxis nebst Nachsorgekonzeption. Bei der Ergebnisqualität ist nach dem Grad der Umsetzung des individuellen Hilfeplanes, der Erreichung der Ziele der Erziehungsplanung und der Zufriedenheit der Vereinbarungspartner sowie Leistungsberechtigten und ihrer Angehörigen zu fragen.

 

Rz. 9

Allerdings gibt es in der Kinder- und Jugendhilfe nach wie vor keinen allgemein anerkannten Standard pädagogischen Handelns – und wird ihn bis auf bestimmte Mindestkriterien i. S. d. § 45 (Gewährleistung von Gesundheit, Sicherheit, Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht; näher vgl. die Kommentierung dort) wegen der gesetzlich nach § 3 und § 5 anzuerkennenden weltanschaulichen Vielfalt unterschiedlicher Erziehungsstile und -ziele auch nicht geben können. Zudem kann es in der Jugendhilfe – wie auch in der ärztlichen Behandlung – schon der Natur der Sache nach keine Garantie für einen Maßnahmeerfolg im Sinne eines Ursache-Wirkung-Automatismus geben (Wissmann, a. a. O., S. 65). Die fachlich...

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