Rz. 8
Die Qualitätsentwicklungsvereinbarung enthält die Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote, und zwar nicht nur im Sinne einer Beschreibung des bestehenden Zustandes, sondern auch mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Leistungsangebote. Die Sicherung der Qualität im Bereich des Sozialen und vor allem der Jugendhilfe ist ein ständiger Prozess der (Weiter-)Entwicklung. Dies soll mit der Bezeichnung Qualitätsentwicklungsvereinbarung zum Ausdruck gebracht werden (so auch RegBegr., BT-Drs. 13/10330 S. 17; vgl. dazu auch Baltz, NDV 1998 S. 377, 380; Merchel, NDV 1998 S. 382; Wabnitz, ZfJ 1999 S. 123). Dabei ist (im Anschluss an die grundlegende Untersuchung von Donabedian zur Qualität im Gesundheitswesen; vgl. Merchel, NDV 1998 S. 382 sowie Wabnitz, ZfJ 1999 S. 123) zwischen den Ebenen der Struktur-, Verfahrens- und Ergebnisqualität zu unterscheiden (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 17). Strukturqualität benennt die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um die vereinbarte Leistung zu erbringen. Sie bezieht sich auf die bauliche und technische Ausstattung, den Personalschlüssel sowie die Qualifikation der Fachkräfte. Wesentliche Merkmale der Strukturqualität sind daher bereits der Betriebserlaubnis nach § 45 zu entnehmen bzw. in der Leistungsvereinbarung festzulegen. Prozessqualität beschreibt die Abläufe und Verantwortlichkeiten innerhalb der Einrichtung. Sie bezieht sich auf die Erziehungsplanung, den Erziehungsstil, die Erziehungsatmosphäre, die (auch interdisziplinäre) Koordination, die Teamarbeit, die Elternarbeit, die Umfeldintegration, die Mitwirkung der Jugendlichen bei der Hilfeplanung, die Besuchs- und Beurlaubungspraxis sowie die Aufnahme-, Verlegungs- und Entlassungspraxis nebst Nachsorgekonzeption. Bei der Ergebnisqualität ist nach dem Grad der Umsetzung des individuellen Hilfeplanes, der Erreichung der Ziele der Erziehungsplanung und der Zufriedenheit der Vereinbarungspartner sowie Leistungsberechtigten und ihrer Angehörigen zu fragen.
Rz. 9
Allerdings gibt es in der Kinder- und Jugendhilfe nach wie vor keinen allgemein anerkannten Standard pädagogischen Handelns – und wird ihn bis auf bestimmte Mindestkriterien i. S. d. § 45 (Gewährleistung von Gesundheit, Sicherheit, Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht; näher vgl. die Kommentierung dort) wegen der gesetzlich nach § 3 und § 5 anzuerkennenden weltanschaulichen Vielfalt unterschiedlicher Erziehungsstile und -ziele auch nicht geben können. Zudem kann es in der Jugendhilfe – wie auch in der ärztlichen Behandlung – schon der Natur der Sache nach keine Garantie für einen Maßnahmeerfolg im Sinne eines Ursache-Wirkung-Automatismus geben (Wissmann, a. a. O., S. 65). Die fachlichen Einwirkungen von außen können (und sollen) die Jugendlichen und ihr Umfeld letzten Endes nur in ihrer Eigenverantwortung stärken. Das Gesetz verwendet deshalb nicht den im industriellen Bereich entwickelten Begriff "Qualitätssicherung", sondern gibt dem Begriff der "Qualitätsentwicklung" den Vorzug. Die Sicherung von Qualität im Bereich der sozialen Jugendarbeit ist demnach als ein ständiger Prozess der (Weiter-)Entwicklung durch systematische Maßnahmen der Dokumentation, Evaluation und Supervision zu verstehen. Das bedeutet freilich nicht, dass eine Messung des angestrebten Maßnahmeerfolgs auf den 3 relevanten Ebenen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität insgesamt unmöglich wäre. Vielmehr bedarf es hierzu in den pädagogischen Alltag integrierbarer, im Vorhinein verbindlich vereinbarter (ggf. indirekter) Indikatoren, an denen der jeweilige Zielerreichungsgrad durch reguläre Erhebungen, Stichproben, Vergleichs- und erforderlichenfalls anlassbezogene Überprüfungen durch die beteiligten Träger, aber auch durch externe (und damit neutrale) Institutionen zu messen ist. Dazu bieten sich z. B. die Landesjugendämter an. Voraussetzung jeder Qualitätsprüfung ist dabei eine Konzeption ("Soll") und eine kontinuierliche Dokumentation ("Ist"). Mit Blick auf ihre gesetzlich anerkannte Autonomie nach § 4 und § 17 SGB I ist es keine staatliche, sondern grundsätzlich Aufgabe der Einrichtungsträger, selbst Konzeptionen zur (Weiter-)Entwicklung der Qualität zu erarbeiten, durchzuführen und in geeigneter Form zu dokumentieren (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 18). Nicht zuletzt wegen der hiermit verbundenen Kosten bedarf es freilich im Verhandlungs- (bzw. notfalls Schiedsstellen-)Wege der Einigung zwischen Einrichtungsträger und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die erforderlichen Maßnahmen. Darüber hinausgehende Prüfungsrechte des örtlichen Trägers kommen nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Einrichtungsträger die Anforderungen zur Erbringung einer Betreuung in einer vereinbarten Qualität nicht oder nicht mehr erfüllt (z. B. bei Beanstandungen der Heimaufsicht oder bei gravierenden besonderen Vorkommnissen, die dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe bekannt werden (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 18).