Rz. 11
Obwohl der Wortlaut des Abs. 1 lediglich gesetzliche Voraussetzungen einer "Übernahme des Leistungsentgelts gegenüber dem Leistungsberechtigten" regelt, betrifft die Entgeltübernahme sowohl die Rechtsbeziehungen im Verhältnis zwischen dem Jugendamt als öffentlichen Träger der Jugendhilfe und Leistungsberechtigten (Grundverhältnis) wie auch zwischen dem Jugendamt als Kostenträger und dem freien oder gewerblichen Einrichtungsträger bzw. Leistungserbringer (Vereinbarungsverhältnis). Im Verhältnis zum Leistungsberechtigten ist die Kostenübernahme ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der den Leistungsanspruch nach Maßgabe des Wunsch- und Wahlrechts gemäß § 5 nach Maßgabe des Hilfeplans i. S. d. § 36 konkretisiert. Die Anpassung des § 5 Abs. 2 an § 78b Abs. 3 macht dabei deutlich, dass diese Konkretisierung grundsätzlich auf vereinbarungsgebundene Einrichtungen beschränkt ist. Nur wenn Vertragseinrichtungen mit gleich angemessenem Leistungsangebot oder vergleichbare ambulante Maßnahmen fehlen, kommt ausnahmsweise eine Kostenerstattung der Wahleinrichtung in Betracht (VGH München, Urteil v. 16.2.2005, 12 B 01.2895). Im Verhältnis zum Einrichtungsträger entfaltet die Entgeltübernahme zwar regelmäßig keine unmittelbare Rechtswirkung. Dennoch ermöglicht sie oft den Leistungsbeginn, da der öffentlich-rechtliche Träger der Jugendhilfe mit der Entgeltübernahme gegenüber dem Einrichtungsträger die vertragliche Verpflichtung übernimmt, die Kosten der Unterbringung gemäß den in der Leistungsvereinbarung festgesetzten Sätzen zu übernehmen und so erst die finanzielle Grundlage der Maßnahme schafft (so – unter teilweiser Aufgabe früherer Judikatur – nun auch VGH München, Beschluss v. 24.11.2004, 12 CE 04.2057).
Rz. 12
Anders als z. B. § 75 Abs. 2 SGB V oder § 85 Abs. 6 Satz 1 SGB XI enthält das Gesetz allerdings keine Bestimmungen, nach denen sich die Regelungen des Grundverhältnisses und des Vereinbarungsverhältnisses unmittelbar auf die dritte Rechtsbeziehung im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis, nämlich die zwischen Einrichtungsträger und Leistungsberechtigtem, auswirken. Da das Vertragsmodell des SGB XI bei Schaffung der §§ 78a ff. ausdrücklich nur teilweise auf die Kinder- und Jugendhilfe übertragen wurde (vgl. BT-Drs. 13/10030/1998), ist diese Lücke auch nicht durch analoge Anwendung des § 85 Abs. 6 Satz 1 SGB XI oder durch Qualifikation der Vereinbarung nach § 78b als Vertrag (mit Schutzwirkung) zugunsten Dritter zu schließen. Zwischen Leistungsberechtigtem und Einrichtungsträger gelten daher die allgemeinen Normen des Zivilrechts. Im Regelfall handelt es sich danach bei der Inanspruchnahme von Leistungen i. S. d. § 78a Abs. 1 um einen – ggf. konkludent abgeschlossenen – privatrechtlichen Dienstleistungsvertrag, aus dem sich ein primärer Zahlungsanspruch des Einrichtungsträgers gegen den Leistungsberechtigten ergibt (Banafsche, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 78b Rz. 8). Soweit sich der Inhalt des privatrechtlichen Vertrages mit dem Vereinbarungsinhalt des § 78b deckt und der öffentliche Träger durch Kostenzusage gegenüber dem Leistungsberechtigten die Übernahme des Entgelts erklärt, hat dies die Wirkung einer Schuldübernahme gemäß § 414 BGB, der der Leistungsberechtigte durch die Antragstellung konkludent gemäß § 415 BGB zugestimmt hat. Einer Konstruktion als Abtretung steht demgegenüber die fehlende Abtretbarkeit des jugendhilferechtlichen Anspruchs gemäß § 53 SGB I entgegen.