Rz. 4
Aufgrund der Diversität und Regionalisierung des Leistungsangebots in der Jugendhilfe, erbringen regelmäßig Einrichtungen Leistungen an Leistungsberechtigte bzw. deren Kinder oder Jugendliche, die im Einzugsbereich anderer Jugendämter ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (auf die Regionalisierung des Leistungsangebots in der Jugendhilfe hatte bereits der Gesetzgeber verwiesen, vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 18). Um hier eine eindeutige Zuständigkeitsregel zur örtlichen Zuständigkeit zu schaffen, weist Satz 1 dennoch dem örtlichen Träger der Jugendhilfe die örtliche Zuständigkeit zu, in dessen Bereich die Einrichtung gelegen ist.
Rz. 5
§ 78e Abs. 1 Satz 1 regelt nur scheinbar ausschließlich die örtliche Zuständigkeit für den Abschluss der Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1. Der Sache nach gehen die Rechtswirkungen der Vorschrift weit darüber hinaus, weil sie durch die nach Abs. 1 Satz 2 eintretenden Konzentrationswirkungen ein für und gegen andere Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Bundesgebiet verbindliches Verhandlungsmandat des örtlichen Jugendamtes enthält. Andere öffentliche Träger scheiden als Vertragspartner aus (abgesehen von dem Sonderfall des Abs. 3). Vertragsverhandlungen des allein zuständigen örtlichen Trägers entfalten daher eine Sperrwirkung für und gegen ortsfremde Träger, solange ein angestrebter vertraglicher Abschluss bzw. eine vereinbarungsgestaltende Schiedsstellenentscheidung tatsächlich und rechtlich noch möglich ist (BVerwG, Urteil v. 4.8.2006, 5 C 1305). Die Rechtsbeziehung zwischen dem Verhandlungspartner i. S. d. Abs. 1 Satz 1, d. h. i. d. R. dem örtlichen Jugendamt und allen anderen öffentlichen Trägern der Jugendhilfe ist als ein (nur durch Landesrecht abdingbarer) öffentlich-rechtlicher Auftrag zu qualifizieren, was wiederum Konsequenzen für die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis zwischen diesen Trägern hat (näher hierzu unter der Komm. zu Abs. 2). Seitens der Einrichtung oder des Dienstes ist Vertragspartner der Träger der Institution. Die Vorschrift schließt allerdings nicht aus, dass sich die Vertragspartner beim Abschluss von Vereinbarungen von ihren Spitzenverbänden vertreten lassen.
Rz. 6
Die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit steht unter landesrechtlichem Vorbehalt. Die Regelung wird der Zuständigkeit den Ländern überlassen (BT-Drs. 13/10330 S. 18).
Rz. 7
Räumlich kommt es für die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe auf die kommunalen Grenzen der betreffenden Gebietskörperschaft (Kommune/Kreis) an (so die Bedeutung der etwas vagen Formulierung "in dessen Bereich"). Dazu ist festzustellen, wo die Einrichtung "gelegen ist". Dafür ist nicht maßgeblich, wo sich der Sitz des Rechtsträgers der Einrichtung im Rechtssinne befindet, sondern wo die wesentlichen tatsächlichen Leistungen der Einrichtung erbracht werden, also die Betriebsstätte der Einrichtung (BVerwG, Urteil v. 4.8.2006, 5 C 13/05). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine organisatorisch und funktionell selbständige Teileinrichtung (z. B. Wohngruppe) eines größeren Einrichtungskomplexes handelt, dessen Hauptbetriebsstätte außerhalb des Bereichs des vorgenannten örtlichen Trägers liegt. Als Einrichtungsort i. S. d. § 78e ist der Ort anzusehen, an dem sich die "Haupteinrichtung", also die verantwortliche Leitung befindet. Die Leistungs-/Entgelt-/Qualitätsentwicklungsvereinbarungen (= LEQ-Vereinbarung) ist dann (nur) mit dem Träger abzuschließen, für den das Jugendamt zuständig ist, in dessen Bereich sich die verantwortliche Leitung befindet (DIJuF-Rechtsgutachten v. 29.10.2021, SN_2021_1249 Bn, JAmt 2022 S. 30).
Rz. 8
Mit der Regelung ist auch klargestellt, dass der örtliche Träger am Ort der Einrichtung unabhängig vom Wohnort der Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern für den Abschluss von Vereinbarungen zuständig ist (so ausdrücklich die Gesetzesmotive, BT-Drs. 13/10330 S. 18).
Rz. 9
Ein Ersatzeintrittsrecht eines anderen Jugendhilfeträgers gibt es nicht, auch wenn der örtlich zuständige Träger der Jugendhilfe den Abschluss einer Vereinbarung hinauszögert. Jedoch können in diesem Falle örtlich nicht zuständige Jugendhilfeträger in die Einzelfallregelung in § 78b Abs. 3 ausweichen. Der Einrichtungsträger hat außerdem die Möglichkeit, die Schiedsstelle nach § 78g anzurufen.