0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 78e ist derzeit i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022) seit dem 1.1.2012 in Kraft.
Die Vorschrift wurde durch das 2. SGB XI-ÄndG v. 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188) mit Wirkung zum 1.1.1999 neu eingefügt (eingefügt erst durch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss), vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 6 f., 18).
1 Allgemeines
Rz. 2
Vergleichbare Regelungen enthielten weder das JWG noch das SGB VIII in seiner bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung. Die Regelung enthält einen Landesrechtsvorbehalt. Die Länder können demnach eine andere örtliche Zuständigkeit bestimmen, die dann auch für Träger aus anderen Bundesländern über die Grenze hinweg Verbindlichkeit hat. Von dem Landesrechtsvorbehalt des Abs. 1 Satz 1 hat allerdings bislang kein Land rechtsförmig Gebrauch gemacht. Ausführungsbestimmungen enthalten insoweit lediglich die mittlerweile in allen Bundesländern abgeschlossenen Rahmenverträge nach §§ 78 f. Danach ist es mit Ausnahme von Thüringen, wo für den Vereinbarungsabschluss das örtliche Jugendamt und der Hauptbeleger i. S. d. § 78e Abs. 2 gemeinsam zuständig sind, überall bei der Grundregel des § 78e Abs. 1 geblieben. Echte Kommissionen i. S. d. § 78e Abs. 3 wurden in Sachsen-Anhalt, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gebildet. In Nordrhein-Westfalen sieht der Rahmenvertrag eine Wahlmöglichkeit vor.
Rz. 3
Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF), die regelmäßig in der Fachzeitschrift "Das Jugendamt (JAmt)" veröffentlicht werden, sind im Volltext auf der Webseite des DIJuF unter der Rubrik Publikationen, JAmt – Fachzeitschrift abrufbar (https://dijuf.de/veroeffentlichungen/jamt-fachzeitschrift, zuletzt abgerufen am 31.3.2023).
2 Rechtspraxis
2.1 Örtliche Zuständigkeit nach Abs. 1
2.1.1 Zuständiger Träger nach Satz 1
Rz. 4
Aufgrund der Diversität und Regionalisierung des Leistungsangebots in der Jugendhilfe, erbringen regelmäßig Einrichtungen Leistungen an Leistungsberechtigte bzw. deren Kinder oder Jugendliche, die im Einzugsbereich anderer Jugendämter ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (auf die Regionalisierung des Leistungsangebots in der Jugendhilfe hatte bereits der Gesetzgeber verwiesen, vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 18). Um hier eine eindeutige Zuständigkeitsregel zur örtlichen Zuständigkeit zu schaffen, weist Satz 1 dennoch dem örtlichen Träger der Jugendhilfe die örtliche Zuständigkeit zu, in dessen Bereich die Einrichtung gelegen ist.
Rz. 5
§ 78e Abs. 1 Satz 1 regelt nur scheinbar ausschließlich die örtliche Zuständigkeit für den Abschluss der Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1. Der Sache nach gehen die Rechtswirkungen der Vorschrift weit darüber hinaus, weil sie durch die nach Abs. 1 Satz 2 eintretenden Konzentrationswirkungen ein für und gegen andere Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Bundesgebiet verbindliches Verhandlungsmandat des örtlichen Jugendamtes enthält. Andere öffentliche Träger scheiden als Vertragspartner aus (abgesehen von dem Sonderfall des Abs. 3). Vertragsverhandlungen des allein zuständigen örtlichen Trägers entfalten daher eine Sperrwirkung für und gegen ortsfremde Träger, solange ein angestrebter vertraglicher Abschluss bzw. eine vereinbarungsgestaltende Schiedsstellenentscheidung tatsächlich und rechtlich noch möglich ist (BVerwG, Urteil v. 4.8.2006, 5 C 1305). Die Rechtsbeziehung zwischen dem Verhandlungspartner i. S. d. Abs. 1 Satz 1, d. h. i. d. R. dem örtlichen Jugendamt und allen anderen öffentlichen Trägern der Jugendhilfe ist als ein (nur durch Landesrecht abdingbarer) öffentlich-rechtlicher Auftrag zu qualifizieren, was wiederum Konsequenzen für die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis zwischen diesen Trägern hat (näher hierzu unter der Komm. zu Abs. 2). Seitens der Einrichtung oder des Dienstes ist Vertragspartner der Träger der Institution. Die Vorschrift schließt allerdings nicht aus, dass sich die Vertragspartner beim Abschluss von Vereinbarungen von ihren Spitzenverbänden vertreten lassen.
Rz. 6
Die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit steht unter landesrechtlichem Vorbehalt. Die Regelung wird der Zuständigkeit den Ländern überlassen (BT-Drs. 13/10330 S. 18).
Rz. 7
Räumlich kommt es für die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe auf die kommunalen Grenzen der betreffenden Gebietskörperschaft (Kommune/Kreis) an (so die Bedeutung der etwas vagen Formulierung "in dessen Bereich"). Dazu ist festzustellen, wo die Einrichtung "gelegen ist". Dafür ist nicht maßgeblich, wo sich der Sitz des Rechtsträgers der Einrichtung im Rechtssinne befindet, sondern wo die wesentlichen tatsächlichen Leistungen der Einrichtung erbracht werden, also die Betriebsstätte der Einrichtung (BVerwG, Urteil v. 4.8.2006, 5 C 13/05). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine organisatorisch und funktionell selbständige Teileinrichtung (z. B. Wohngruppe) eines größeren Einrichtungskomplexes handelt, dessen Hauptbetriebsstätte außerhalb des Bereichs des vorgenannten örtlichen Trägers liegt. Als E...