2.1.1 Sinn der Regelung
Rz. 4
Rahmenverträge legen fest, nach welchen allgemeinen Kalkulationsgrundsätzen für die vereinbarten Leistungen Entgelt vereinbart wird. Eine solche gleichartige Regelungssystematik ermöglicht erst einen Vergleich der Entgelte der Einrichtungen für gleiche Leistungen. Rahmenverträge erfüllen damit folgende Funktionen:
- Vergleichsfunktion,
- Orientierungsfunktion,
- Entlastungsfunktion,
- Konsensfunktion.
Rz. 5
Primärer Sinn rahmenvertraglicher Vorgaben ist der Gedanke der Vergleichbarkeit. Er gilt für die öffentlichen Träger der Jugendhilfe, für die Leistungsberechtigten und gleichermaßen für die Leistungsanbieter. Auch ihnen soll durch entsprechende Rahmenvereinbarungen eine hinreichende kalkulierbare Grundlage für ihre Leistungserbringung gegeben werden. Transparenz und Chancengleichheit sind sowohl rechtlich wie betriebswirtschaftlich zwingende Voraussetzungen für die Einführung von Marktmechanismen im SGB VIII. Die Behandlung eines freien oder gewerblichen Trägers darf nicht davon abhängen, wo eine Einrichtung ihren Sitz hat. Nicht sachgerechte Bevorzugungen bzw. Benachteiligungen einzelner Einrichtungen müssen bereits im Vorfeld unterbunden werden.
Rz. 6
In ihrer Orientierungs- und Entlastungsfunktion bieten Rahmenverträge Muster als konkrete Hilfe sowohl für Jugendämter als auch für Einrichtungen bei den Vertragsverhandlungen vor Ort. Das gilt namentlich für die Festlegung von Personalschlüsseln und Maßstäben für die Grundsätze der Bemessung von Investitionskosten, da der einzelne örtliche Trägerbereich mit der Entwicklung solcher Grundsätze regelmäßig überfordert wäre (z. B. über die Höhe, den Zeitraum von Abschreibungen, die Verzinsung von Eigenkapital, die Festsetzung von Obergrenzen für Investitionen). Die Konsensfunktion der Rahmenverträge schließlich zeigt sich im Konfliktfall z. B. daran, dass sie als eine Grundlage für Schiedsstellenentscheidungen herangezogen werden können.
2.1.2 Rechtscharakter
Rz. 7
Bei den Rahmenverträgen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. § 53 SGB X. Für Rechtsstreitigkeiten aus ihnen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Entscheidung des BGH, der für Rahmenverträge über die Leistungserbringung in der Sozialhilfe den Zivilrechtsweg als gegeben angesehen hat (BGH, Beschluss v. 30.9.1999, III ZB 15/99), ist nicht auf § 78f übertragbar, weil es sich hierbei nicht um Beschaffungsverträge, sondern ausschließlich um Verträge handelt, die die Kriterien für die spätere Leistungsdefinition vor Ort vorgeben. Es handelt sich freilich noch nicht um den Abruf der Leistung, der vielmehr erst in einem übernächsten Schritt und auch nicht durch den Träger der Jugendhilfe, sondern gemäß § 5 i. V. m. § 36 durch den Leistungsberechtigten erfolgt. Dennoch sind die aus der Berufsfreiheit folgenden Maßgaben des Vergaberechts, d. h. vor allem das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot bei dem Abschluss von Rahmenverträgen zu wahren. Gleiches gilt für die entsprechenden Vorgaben des Europarechts (vgl. dazu die Komm. bei § 83 Rz. 5 ff.).
2.1.3 Vertragsparteien und Bindungswirkung
Rz. 7a
Vertragsparteien sind die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene und die Verbände der Träger der freien Jugendhilfe sowie die Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer. Solche Rahmenverträge enthalten daher ausschließlich Regelungen für die Vertragsparteien, also z. B. bindende Regelungen für die Träger der Einrichtungen und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dieses Rechtsverhältnis ist jedoch zu unterscheiden von demjenigen, welches zwischen einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und einem dem Grunde nach kostenbeitragspflichtigen Elternteil besteht (vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 7.4.2022, 9 K 5850/20, Rz. 40, zum Rahmenvertrag nach § 78f für Baden-Württemberg i. d. F. vom 12.3.2019, der allein gegenüber der Einrichtung Wirkung entfaltet).
2.1.4 Rechtswirkung
Rz. 8
Sowohl aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn der Neuregelung der §§ 78a f. wie aus verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben ergeben sich Hinweise zu ihrer Rechtswirkung. Schon nach dem Wortlaut des § 78f i. V. m. § 78b geben die Rahmenverträge nur den Rahmen für die Vereinbarungen auf örtlicher Ebene ab. Wenn die Vertragspartner auf örtlicher Ebene übereinstimmend davon abweichende Regelungen treffen wollen, scheinen sie nach dem Wortlaut des § 78b nicht an Rahmenverträge i. S. d. § 78f gebunden. Gegen eine unmittelbare Verbindlichkeit oder einen Normsetzungscharakter der Rahmenverträge spricht ferner, dass nicht jeder Einrichtungsträger über eine öffentlich-rechtliche Zwangsmitgliedschaft in das System der Vertragsparteien der Rahmenverträge eingebunden ist, was insbesondere für freigewerbliche Anbieter gelten dürfte. Sofern Rahmenverträge auf Landesebene i. S. d. § 78f vorliegen, sind diese anders als im Sozialhilfe- und Pflegeversicherungsrecht (vgl. § 79 SGB XII a. F., § 80 SGB XII n. F., § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB XI) nicht allgemein verbindlich und haben daher für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger bei den Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, 78c nur empfehlenden ...