2.1 Schiedsstelle nach Abs. 1
2.1.1 Rechtsnatur der Schiedsstelle und des Schiedsspruchs nach Satz 1
Rz. 5
In den Ländern sind Schiedsstellen für Streit- und Konfliktfälle einzurichten. Die schlichtende Rolle der Schiedsstelle weist zwar Parallelen zur richterlichen Funktion auf. Denn der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung gegenläufiger Interessen und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter aufweist (vgl. zur Schiedsstelle des SGB XI BSG, Urteil v. 14.12.2000, B 3 P 19/00 R). Dennoch ist die Schiedsstelle keine Gerichtsinstanz, sondern übt als Behörde Verwaltungstätigkeit aus. Denn es handelt sich bei der Entscheidung einer Schiedsstelle um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 SGB X (BSG, a. a. O.; BVerwG, Urteil v. 1.12.1998, 5 C 17/97; BVerwG, Beschluss v. 28.2.2002, 5 C 25/01; BVerwG, Urteil v. 4.8.2005, 5 C 1305; mit der weiterhin höchst strittigen Einordnung der Rechtsnatur der Entscheidung der Schiedsstelle setzt sich eingehend auseinander Gottlieb, ZKJ 2017 S. 266, 268). Der gesetzlichen Regelung in § 78g Abs. 2 Satz 4, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet, liegt erkennbar diese Vorstellung zugrunde. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klage nach § 78a Abs. 2 Satz 2 unmittelbar gegen die andere Vertragspartei zu richten ist (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage in der Sozialhilfe BVerwG, Beschluss v. 28.2.2002, 5 C 25/01).
2.1.2 Zusammensetzung der Schiedsstelle nach Satz 2
Rz. 6
Die Bildung der Schiedsstelle auf Landesebene erfolgt durch Rechtsverordnung der Landesregierung (Abs. 4). Die Schiedsstelle ist nach Abs. 1 Satz 2 mit einem unparteiischen Vorsitzenden, im Übrigen paritätisch mit Vertretern der öffentlichen Jugendhilfe sowie Vertretern der Einrichtungen zu besetzen.
Rz. 7
Sinn der paritätischen Besetzung der Schiedsstellen nach § 78g Abs. 1 Satz 2 ist es, die Interessen der Kostenträger und die Interessen der Träger von Einrichtungen gleichgewichtig zu vertreten. Im Hinblick darauf, dass – örtlich und regional unterschiedliche – Einrichtungen auch von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe selbst bzw. von kreisangehörigen Gemeinden betrieben werden, ist durch organisatorische und personelle Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass deren Vertreter nicht Interessenkollisionen ausgesetzt werden und damit die vom Gesetzgeber gewollte Parität in der Schiedsstelle unterlaufen wird (BT-Drs. 13/10330 S. 19).
Rz. 8
Der unparteiische Vorsitzende darf weder bei einem Jugendhilfeträger angestellt noch Angestellter oder Organmitglied eines Einrichtungsträgers sein. Zur Wahrung der rechtsförmigen Verfahrenserfordernisse (rechtliches Gehör) und wegen des Erfordernisses einer gerichtsüberprüfbaren Begründung des Schiedsspruchs erfordert das Amt des Schiedsstellenvorsitzes die Befähigung zum Richteramt. Die Berufung aktiver Richter scheidet allerdings – entgegen einer zum Teil in einigen Bundesländern geübten Praxis – wegen Art. 87 GG i. V. m. § 4 DRiG aus, weil danach die gleichzeitige Ausübung von Richteramt und Verwaltungstätigkeit unzulässig ist.
Rz. 9
Nicht nur für den unparteiischen Vorsitzenden, sondern auch für die übrigen Mitglieder gelten §§ 16 f. SGB X entsprechend (offen gelassen von VG Hannover, Beschluss v. 19.12.1994, 3 B 8187/94). Sie sind jedenfalls dann von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen, wenn sie selbst als Partei bzw. Vertreter einer Partei an den streitgegenständlichen Verhandlungen beteiligt waren, denn andernfalls würde das gemäß Art. 20 GG auch gegenüber der Exekutive verfassungsrechtlich garantierte Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
Rz. 10
Aus diesem Verfahrensgrundrecht ergibt sich auch ohne ausdrücklich Erwähnung im Gesetz (anders als z. B. in § 76 Abs. 2 Satz 2 SGB XI), dass die Schiedsstellenmitglieder an Weisungen nicht gebunden sind und während eines laufenden Verfahrens nicht von der "Entsendeorganisation" abberufen werden dürfen. Sie haben also lediglich ein repräsentatives, aber kein imperatives Mandat. Ein anderes Amtsverständnis wäre darüber hinaus auch wettbewerbsrechtlich bedenklich, da die freigewerblichen Träger regelmäßig im Kreis der Schiedsstellenmitglieder nicht vertreten sind.
Rz. 11
Einzelheiten für die Berufung der Schiedsstellenmitglieder regeln im Übrigen die Schiedsstellenverordnungen der Länder, ebenso die Amtsperiode der Mitglieder. Bundesrecht enthält aber die Vorgabe, dass der Zeitaufwand der Mitglieder zu entschädigen ist und deren Auslagen zu erstatten sind. Auch hierüber, wie auch über die Verfahrensgebühren, müssen die Schiedsstellenverordnungen der Länder die näheren Einzelheiten regeln.
2.1.3 Gegenstand des Schiedsstellenverfahrens
Rz. 11a
Die Zuständigkeit der Schiedsstelle erstreckt sich auf alle in § 78b Abs. 1 genannten Vereinbarungen, nicht nur auf die Entgeltvereinbarung (anders als in der Sozialhilfe und in der sozialen Pflegeversicherung). Vereinbarungen nach § 77 scheiden allerdings als Gegenstand ei...