2.1 Gesamtverantwortung, Planungsverantwortung
Rz. 3
Nach Abs. 1 haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, d. h. die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger (§ 69 Abs. 1 Satz 2) sowie die nach Landesrecht bestimmten überörtlichen Träger (§ 69 Abs. 1 Satz 3), für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Das BVerfG (Urteil v. 21.11.2017, 2 BvR 2177/16) bezeichnet die Planungsverantwortung als ein in die Zukunft gerichteter Gestaltungsprozess (vgl. dazu Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 79 Rz. 5) und als einen nicht trennbaren und wesentlichen Bestandteil der Gesamtverantwortung in § 79 Abs. 1 (dazu Hilke, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 12/2014, § 79 Rz. 10). Erst auf der Grundlage einer Planung könne festgestellt werden, ob Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen ausreichen und geeignet sind. Der Teilbereich der Gesamtverantwortung, der nicht in den Bereich der Planungsverantwortung fällt, wird im nachfolgenden Abs. 2, der Teilbereich Planung der Einrichtungen und Dienste wird in § 80 näher konkretisiert. Die Gesamtverantwortung umfasst alle Gebiete der Jugendhilfe und schließt sowohl die Aufgabenzuweisungen als auch die materiellen Leistungen sowie das Bereithalten der entsprechenden Infrastruktur ein. Während das Gesetz auf der einen Seite nicht verlangt, dass die öffentlichen Träger für die Erbringung sämtlicher Angebote die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen selbst zu erbringen bzw. vorzuhalten haben, entbindet die Beteiligung freier Träger im Rahmen der Jugendhilfe die öffentlichen Träger (vgl. §§ 3 f.) andererseits nicht von ihrer Verpflichtung, für ein qualitativ und quantitativ gebotenes Netz an Angeboten zu sorgen. § 79 sowie das SGB VIII insgesamt gehen vielmehr davon aus, dass die Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe partnerschaftlich zusammenarbeiten. Im Übrigen werden die Träger der freien Jugendhilfe durch die Vorschrift nicht berührt, da deren Tätigkeit vom Gesetz überhaupt nicht geregelt wird und sie in der Gestaltung ihrer Arbeit völlig frei sind (BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62, 2 BvR 139, 140, 334, 335/62).
Rz. 4
Aus der Tatsache, dass die Verpflichtungen des Vierten Abschnitts im öffentlichen Interesse bestehen und sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe richten, folgt, dass § 79 keine einklagbaren Individualrechte eines Dritten begründet. Eine Verletzung der Verpflichtungen aus § 79 durch einen örtlichen öffentlichen Träger kann daher nur im Wege der kommunalen Rechtsaufsicht gerügt werden. Einklagbare Ansprüche eines Trägers der freien Jugendhilfe auf Förderung bestehen ausschließlich nach Maßgabe von § 74.
Zu den möglichen Auswirkungen des europäischen Vergabe- und Wettbewerbsrechts auf die Gesamt- und die Planungsverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe vgl. die Erläuterungen zu § 83.
Rz. 5
(unbesetzt)
2.2 Gewährleistungsgarantie
2.2.1 Anforderungen an die Infrastruktur
Rz. 6
Nach Abs. 2 Satz 1 sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Während Einrichtungen und Dienste schon nach ihrer Begrifflichkeit auf eine zumindest zeitweilige Kontinuität angelegt sind und einen individuellen Bedarf befriedigen, können Veranstaltungen sowohl mehrmaliger (Veranstaltungsreihe) als auch einmaliger Natur sein und richten sich im Regelfall an eine oder mehrere Personengruppen.
Rz. 7
Die Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen müssen erforderlich, geeignet und ausreichend vorhanden sein. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe unterliegen der gerichtlichen Kontrolle; mit ihnen will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen in einer den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepassten Weise und unter wirtschaftlich sinnvollem Einsatz öffentlicher und privater Mittel bereitgestellt werden (so BVerfG, Urteil v. 18.7.1967, 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62, 2 BvR 139, 140, 334, 335/62). Erforderlich ist die Tätigkeit einer Einrichtung oder eines Dienstes, wenn sie oder er am besten zur Verwirklichung der Aufgaben der Jugendhilfe nach § 2 beitragen kann; geeignet bereits dann, wenn die Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe durch sie oder ihn möglich ist.
Rz. 8
Die Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen müssen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Diese gesetzlichen Anforderungen sollen eine dem örtlichen und sachlichen Verantwortungsbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe angepasste Reaktion sicherstellen. Rechtzeitig bedeutet, dass in angemessener Zeit auf einen aufgetretenen Bedarf reagiert werden kann; ausreichend erfordert, dass Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen in genügender Anzahl bereitgehalten oder angeboten werden müssen.
2.2.2 Kontinuierliche Qualitätsentwicklung
Rz. 8a
Abs. 2 Nr. 2 dehnt die Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe d...