Rz. 4
Jeder sachgerechten Planung muss eine exakte Ermittlung des Bestandes an Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe vorausgehen (Abs. 1 Nr. 1). Nur aus einer solchen Ermittlung der vorhandenen Infrastruktur ist eine Ableitung des kurz-, mittel- und langfristigen Bedarfs möglich (Abs. 1 Nr. 2). Sowohl die Bestandsermittlung als auch die konkrete Bedarfsableitung sind kein statischer, sondern ein fortwährender Prozess, der ständigen Veränderungen unterworfen ist, die sich u. a. aus gewandelten gesellschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen, aber auch wirtschaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen ergeben können.
Rz. 5
Das Gesetz nennt Maßgaben für den Inhalt und die zeitliche Dauer der Bedarfsermittlung: In ihr sind die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten einzubeziehen. Die Bedarfsermittlung – bezogen auf den Zuständigkeitsbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe – hat somit zielgruppenorientiert zu erfolgen. Mit dieser Maßgabe wird dem gesetzlich verankerten Wunsch- und Wahlrecht (§ 5) Rechnung getragen. Ferner hat die Bedarfsermittlung für einen mittelfristigen Zeitraum zu erfolgen. Eine Vorgabe in Jahren macht das Gesetz nicht, in Anlehnung an die mittelfristige Finanzplanung ist von einem Zeitraum von vier Jahren auszugehen. Dies hat zudem den Vorteil, die Jugendhilfeplanung mit den finanziellen Ressourcen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe abzustimmen (vgl. § 71 Abs. 3 Satz 1 "Er [der Jugendhilfeausschuss] hat Beschlussrecht in Angelegenheiten der Jugendhilfe im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft bereitgestellten Mittel, …").
Rz. 6
Aus dem Vergleich der Bestands- mit der Bedarfsermittlung sind als dritter Schritt die konkreten Einzelvorhaben, die sich aus der Analyse ergeben haben, rechtzeitig und ausreichend zu planen (Abs. 1 Nr. 3). Da eine sofortige Umsetzung der Planung in den allermeisten Fällen an den finanziellen Möglichkeiten des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe scheitern wird, ist – ausgehend von den Zielsetzungen der Jugendhilfe und der als dringend festgestellten Bedarfe – eine Prioritätensetzung vorzunehmen. Dabei ist ausdrücklich auch Vorsorge für einen unvorhergesehenen Bedarf zu treffen. Mit dieser Regelung soll dem Träger die Möglichkeit eröffnet werden, auch auf unvorhersehbare Entwicklungen und Ereignisse angemessen zu reagieren. Gleichwohl besteht hinsichtlich dieser im Gesetz normierten Verpflichtung insofern ein Zielkonflikt, als eine kontinuierliche Planung, die abschätzbare künftige Entwicklungen, insbesondere der demographischen Entwicklung, berücksichtigen muss, nur begrenzt unvorhersehbare Einflüsse aufnehmen kann. Ggf. muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in einem solchen Fall seine bestehenden Planungen kurzfristig ergänzen.