Rz. 59
Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, enthält § 86 – so wie Abs. 6 – eine Sondervorschrift. Die Regelungen in Abs. 7 stehen im engen Zusammenhang mit den Bestimmungen des Asylgesetzes und gelten ausschließlich für Leistungen i. S. d. § 2 Abs. 2, nicht also etwa für die Erfüllung "anderer Aufgaben" nach § 2 Abs. 3, deren örtliche Zuständigkeit nach §§ 87 ff. zu bestimmen ist. Die Vorschrift findet lediglich dann Anwendung, wenn sich das Kind oder der Jugendliche zusammen mit seinen Eltern oder einem Elternteil im Geltungsbereich des SGB VIII aufhält. Für unbegleitet eingereiste minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche gilt hingegen § 88a als lex specialis. § 88a wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher v. 28.10.2015 (BGBl. I S. 1802) mit Wirkung zum 1.11.2015 neu eingefügt. Nicht von Bedeutung ist die Tatsache, dass Kinder oder Jugendliche, beispielsweise im Rahmen der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27ff., nur Leistungs(mit)empfänger, keinesfalls jedoch Leistungsberechtigte sein können. Denn die pädagogische (höchstpersönliche) Hilfe schließt über die Betreuung des Leistungsberechtigten hinaus auch die des Kindes oder Jugendlichen sowie dessen Versorgung mit ein, anspruchsberechtigt aber ist nach § 27 Abs. 1 ausschließlich der Personensorgeberechtigte.
Rz. 60
Die grundsätzliche "Leistungsberechtigung" eines Ausländers ist im Hinblick auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit zunächst nach § 6 Abs. 2 und 4 festzustellen (vgl. hierzu auch die Ausführungen zu § 6). Für den Eintritt der örtlichen Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers reicht es nach Abs. 7 aus, dass das mit seinen Eltern oder einem Elternteil eingereiste Kind bzw. der betreffende Jugendliche um Asyl nachsucht, d. h., es genügt schon die Bekundung, Asyl begehren zu wollen. Ein Antrag auf Gewährung von Asyl ist also keine zwingende Voraussetzung. Die Zuständigkeit für Leistungen an Kinder und Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, richtet sich allerdings nur dann nach § 86 Abs. 7 Satz 1, wenn das Asylverfahren bei Leistungsbeginn noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist. Dies gilt auch im Fall einer Zuweisungsentscheidung nach § 86 Abs. 7 Satz 2 (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil v. 2.4.2009, 5 C 2/08).
2.9.1 Tatsächlicher Aufenthalt vor Leistungsbeginn (Abs. 7 Satz 1 HS 1)
Rz. 61
§ 86 Abs. 7 Satz 1 HS 1 knüpft die örtliche Zuständigkeit für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen an ausländische Minderjährige an deren tatsächlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung an. Auf den tatsächlichen Aufenthalt der Eltern oder ggf. eines Personensorgeberechtigten (z. B. Vormund) kommt es angesichts der eindeutigen Gesetzesformulierung nicht an. Zum Begriff des "tatsächlichen Aufenthaltes" siehe auch die Erläuterungen zu § 6.
2.9.2 Fortgesetzte Zuständigkeit nach Inobhutnahme (Abs. 7 Satz 1 HS 2)
Rz. 62
Wird die Gewährung von Jugendhilfeleistungen i. S. d. § 2 Abs. 2 (z. B. eine Heimunterbringung nach § 34) als Anschlussleistung an eine zuvor durchgeführte Inobhutnahme gemäß § 42 erforderlich, dann bleibt die nach § 87 begründete örtliche Zuständigkeit auch für die Durchführung der Anschlussleistung weiterhin bestehen. Ein Zuständigkeitswechsel findet insofern nicht statt.
2.9.3 Zuweisung durch Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde (Abs. 7 Satz 2 HS 1)
Rz. 63
Für den Fall, dass der ausländische Minderjährige einem Verteilungsverfahren gemäß §§ 44 ff. AsylG unterliegt und insofern von der nach § 50 Abs. 4 AsylG zuständigen Landesbehörde einem Landkreis oder einer Gemeinde zugewiesen wird, knüpft die örtliche Zuständigkeit an diese Zuweisungsentscheidung an. Der Landkreis bzw. die Gemeinde, in dessen Bereich die Zuweisung des Minderjährigen erfolgt ist, wird damit gleichzeitig zum örtlich zuständigen Jugendhilfeträger nach Abs. 7 Satz 2 HS 1 bestimmt. Einem derartigen Verteilungsverfahren unterliegen ausländische Minderjährige, die mit ihren Eltern oder mit einem Elternteil in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und die Eltern oder der Elternteil einen Asylantrag gestellt haben. Mit der Asylantragstellung der Eltern bzw. des betreffenden Elternteils nach § 14 AsylG gilt ein Asylantrag auch für jedes minderjährige ledige Kind des Ausländers als gestellt, das sich zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet aufhält (§ 14a Abs. 1 AsylG).
Rz. 64
Wird der Minderjährige einem anderen Landkreis bzw. einer anderen Gemeinde zugewiesen, ändert sich damit auch die örtliche Zuständigkeit.
2.9.4 Entsprechende Anwendung des Abs. 7 Satz 1 bis zur Zuweisung durch Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde (Abs. 7 Satz 2 HS 2)
Rz. 65
Ist beabsichtigt, einem ausländischen Kind oder Jugendlichen, das einem Zuteilungsverfahren unterliegt, Jugendhilfeleistungen vor der Zuweisungsentscheidung der hierfür zuständigen Landesbehörde zu gewähren, ist der örtliche Träger für die Gewährung der Leistung zuständig, in dessen Bereich sich der ausländische Minderjährige vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält (entsprechende Anwendung des Abs. 7 Satz 1). Bei einer vorausgegangenen Inobhutnahme bleibt die hierfür nach § 87 zu bestimmende örtliche Zuständigkeit weiterhin bestehen.
2.9.5 Fortgesetzte Zuständigkeit nach Abschluss des Asylverfahrens (Abs. 7 Satz 3)
Rz. 66
Der nach § 86 Abs. 7 Satz 1 oder 2 zuständige örtli...