Rz. 6
Abs. 2 Satz 1 verpflichtet die Jugendhilfeträger untereinander zur unverzüglichen Unterrichtung des jeweils anderen, soweit ihnen die Tatsachen, die zu einem Zuständigkeitswechsel führen, bekannt werden. Unverzüglich bedeutet hier "ohne schuldhaftes Zögern" i. S. d. § 121 BGB. Tatsachen, die einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit auslösen, können insbesondere die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes der Eltern bzw. des maßgeblichen Elternteils oder auch eine unter Umständen eingetretene Sorgerechtsänderung sein.
Rz. 7
Abs. 2 Satz 2 verpflichtet den bisher zuständigen Jugendhilfeträger zur unverzüglichen Weitergabe derjenigen Informationen, die für die Gewährung der Leistung sowie für den Zuständigkeitswechsel ausschlaggebend sind. Unverzüglich ist wie im Falle des Satzes 1 i. S. d. § 121 BGB als ohne schuldhaftes Zögern auszulegen. Schließlich haben die Erfahrungen der Jugendhilfepraxis in der Vergangenheit gezeigt, dass zwar die Tatsache des Zuständigkeitswechsels stets mitgeteilt wird, der nunmehr zuständige Träger aber nicht immer die erforderlichen und vor allem vollständigen Informationen zu den Umständen erhält, die für den Wechsel der Zuständigkeit maßgeblich sind und den jeweiligen Hilfebedarf begründen. Diesem Informationsdefizit soll mit der Verpflichtung zur Weitergabe der betreffenden Informationen begegnet werden.
Rz. 8
Im Falle von Jugendhilfeleistungen und deren Fortsetzung, die der Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 unterliegen, verpflichtet Abs. 2 Satz 3 den bislang zuständigen Jugendhilfeträger zur Übergabe der Fallverantwortung im Rahmen eines fachlichen Gesprächs. Damit sollen die mit einer schriftlichen Informationsweitergabe oftmals verbundenen Missverständnisse und Unklarheiten vermieden werden. Das Gespräch kann im persönlichen Kontakt, alternativ dazu aber auch fernmündlich erfolgen (vgl. BT-Drs. 17/6256 S. 29). Dennoch sollte dem persönlichen Kontakt einem fernmündlichen Gespräch gegenüber – allein schon aus Gründen der zielgerichteten Dokumentation – eher der Vorzug eingeräumt werden. Anzustreben wäre demzufolge ein gemeinsam mit allen Beteiligten anberaumtes Übergabegespräch einschließlich eines schriftlichen Übergabeprotokolls. Nur so dürften sich im Gegensatz zum fernmündlichen Gespräch, das u. U. lediglich zwischen der ehemals fallzuständigen und der neu zuständig gewordenen Fachkraft der beteiligten Jugendämter stattfände, evtl. noch bestehende Unklarheiten unter Einbeziehung aller Beteiligten ausräumen lassen und die Kontinuität im Hilfeprozess gewahrt bleiben. Eine solche (bundesweit zu favorisierende) Handlungsweise wäre durchaus wünschenswert und würde im Übrigen auch der Verpflichtung einer angemessenen Beteiligung des in Satz 4 genannten Personenkreises gerecht. Der BGH führte nicht schon zuletzt deswegen in dem in Rz. 3a zitierten Urteil v. 21.10.2004 in einem damals dort anhängigen Amtshaftungsprozess zu recht aus, dass zur Verpflichtung des nach einem Umzug der Pflegefamilie erstmals für ein Pflegekind zuständig gewordenen Jugendamts zweifelsohne mitunter auch gehöre, sich in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme der Zuständigkeit ein eigenes Bild von dem Pflegekind und der Pflegefamilie in Form des persönlichen Kontakts zu verschaffen (sog. Antrittsbesuch).
Rz. 9
Abs. 2 Satz 4 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Fallübergabe nicht ohne Kenntnis des/der Personensorgeberechtigten, des Kindes oder Jugendlichen, des jungen Volljährigen bzw. der/des Leistungsberechtigten nach § 19 erfolgt, sondern vielmehr ihre aktive Einbeziehung in das und Beteiligung an dem Übergabeverfahren erfordert. Dies geschieht am sinnvollsten, wie oben dargestellt, über die Teilnahme an einem gemeinsamen Übergabegespräch, im Falle des telefonischen Übergabegesprächs durch Anwesenheit bei dem Telefonat zwischen der ehemals und der neu zuständigen Fachkraft. Wichtig ist nur, diese gesetzlich vorgegebene Mitwirkungs- und Beteiligungsregelung künftig nicht unbeachtet zu lassen, denn sie lässt den Jugendämtern weiterhin die notwendige und unabdingbare Entfaltungsmöglichkeit, einen im Einzelfall adäquaten Zustand rechtlicher und fachlich-pädagogisch angezeigter wie auch gebotener Transparenz zu finden.