2.1 Gesetzliche Amtsvormundschaft (Abs. 1 und 2)
2.1.1 Gewöhnlicher Aufenthalt der nichtehelichen Mutter zur Zeit der Geburt (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 5
§ 87c Abs. 1 Satz 1 knüpft den Eintritt der örtlichen Zuständigkeit eines Jugendamtes im Falle der gesetzlichen Amtsvormundschaft nach § 1786 BGB an den gewöhnlichen Aufenthaltsort der nichtehelichen Mutter an und erklärt – anders als in § 42 JWG – das Jugendamt für örtlich zuständig, in dessen Bereich die nichteheliche Mutter ihren Lebensmittelpunkt begründet. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt (g.A.) des Kindes kommt es also nicht an. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes siehe auch Erläuterungen zu § 86 Rz. 11 bis 16.
2.1.2 Gewöhnlicher Aufenthalt der nichtehelichen Mutter nach Vaterschaftsanfechtung (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 6
Durch eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft eines Kindes wird erst zu einem späteren Zeitpunkt der Status der Nichtehelichkeit der Mutter festgestellt. Auch bei dieser Fallvariante knüpft der Gesetzgeber durch die Regelung in Abs. 1 Satz 2 an den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Mutter an. Örtlich zuständig ist demnach das Jugendamt, in dessen Bereich die Mutter ihren g.A. hat, allerdings zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts im Vaterschaftsanfechtungsverfahren.
2.1.3 Tatsächlicher Aufenthalt der Mutter bei nicht ermittelbarem gewöhnlichen Aufenthalt (Abs. 1 Satz 3)
Rz. 7
Soweit der g.A. der Mutter nicht zu ermitteln ist, tritt die örtliche Zuständigkeit des Jugendamtes ein, in dessen Bereich die Mutter ihren tatsächlichen Aufenthalt hat. Zur Begriffserläuterung des "tatsächlichen Aufenthalts" siehe auch Anmerkungen zu § 6.
2.2 Abgabe der gesetzlichen Amtsvormundschaft an ein anderes Jugendamt (Abs. 2)
2.2.1 Antragserfordernis (Abs. 2 Satz 1)
Rz. 8
Sofern die Mutter ihren g.A. (ggf. durch Umzug) in den Bereich eines anderen Jugendamtes verlegt, hat das bisher die Amtsvormundschaft führende Jugendamt nach Abs. 2 Satz 1 – ungeachtet des Kindeswohls – die Weiterführung der Amtsvormundschaft beim Jugendamt des neuen gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Mutter zu beantragen. Das bislang zuständige Jugendamt kann gleichwohl, sofern es dem Wohle des Kindes oder Jugendlichen entsprechen sollte, die Übernahme der Vormundschaft bei einem anderen Jugendamt beantragen (beispielsweise beim Jugendamt am Aufenthaltsort der Pflegeperson), ohne dass ein Wechsel des g.A. der Mutter eingetreten ist. Ein Antrag auf Weiterführung der Amtsvormundschaft kann darüber hinaus auch von dem neu zuständig gewordenen Jugendamt an das bisher die Amtsvormundschaft führende Jugendamt gerichtet werden sowie von jedem Elternteil bzw. jedem, der ein berechtigtes Interesse des Kindes oder Jugendlichen geltend macht (z. B. die Pflegeperson).
Rz. 9
Den Antrag auf Weiterführung muss das die Amtsvormundschaft führende Jugendamt im Falle des Wechsels des g.A. der Mutter an das Jugendamt des neuen Aufenthaltsortes der Mutter richten, die anderen in Abs. 2 Satz 1 genannten Personen an das bisher zuständige Jugendamt.
Rz. 10
Sehen beide beteiligten Jugendämter (sowohl das abgebende als auch das annehmende) das Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit als gefährdet an und wird ein Antrag auf Weiterführung aus diesem Grunde nicht gestellt, verbleibt es bei der bisherigen Zuständigkeit des "abgebenden" Jugendamtes selbst dann, wenn die Mutter ihren g.A. im Bereich des "annehmenden Jugendamtes" begründet hat.
2.2.2 Übergangserklärung des "anderen" Jugendamtes (Abs. 2 Satz 2)
Rz. 11
Die Amtsvormundschaft geht nach Abs. 2 Satz 2 kraft Gesetzes mit dem Zugang der Übernahmeerklärung des übernehmenden Jugendamtes über. Es bedarf insoweit weder einer Aktenübergabe noch einer Mitwirkung des Familiengerichts. Ein Vorbehalt, eine Bedingung oder ein Widerruf der Zustimmung des übernehmenden Jugendamtes sind unbeachtlich (LG Saarbrücken, Beschluss v. 2.10.1997, 5 T 672/97). Das abgebende Jugendamt hat das Familiengericht lediglich unverzüglich von der Übergabe zu unterrichten (Abs. 2 Satz 3).
Rz. 12
Die Pflicht des bisher die Amtsvormundschaft führenden Jugendamtes, die Weiterführung beim Jugendamt des neuen (gewöhnlichen) Aufenthaltsortes der Mutter zu beantragen, ist gleichzusetzen mit der grundsätzlichen Verpflichtung dieses Jugendamtes auf Weiterführung. Das neu zuständig gewordene Jugendamt kann die Übernahme der Amtsvormundschaft nur ablehnen, wenn damit besondere Gründe im Interesse des Kindes oder Jugendlichen verbunden sind, z. B. wenn ein Ende der Amtsvormundschaft unmittelbar bevorsteht, weil die Mutter volljährig wird, so dass ein persönlicher Kontakt zwischen dem neuen Jugendamt und der Mutter nicht mehr zu erwarten ist (ebenso: Kunkel, ZfJ 2001 S. 416; Schellhorn, § 87c Rz. 9). Einfache Gründe, vor allem aber auch organisatorische Gründe hingegen, wie beispielsweise die der Arbeitsüberlastung oder mangelnden Abgabereife, reichen zur Ablehnung jedenfalls nicht aus, weil dem Wechsel des g.A. der Mutter – nach der Intention der Vorschrift – grundsätzlich auch ein Zuständigkeitswechsel erfolgen soll (vgl. hierzu auch: DIV-Gutachten, DAVorm 1994 S. 1013 und 1998 S. 427). Auch die Gewährung von Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. durch den Jugendhilfeträger am Ort des die Amtsvormundschaft führenden Jugendamtes ist kein Ablehnungsgrund, da die Hilfe zur Erziehung dem Amtsvormund als dem nach § 27 Anspruchsberechtigten und insoweit nicht der Mutter gewährt wird.
Rz. 13
Sollte die Übernahmeerklärung nicht abgegeben werden, berechtigt dies zur Anrufung des Familie...