0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift gilt i. d. F. des Art. 1 Nr. 42 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung des SGB VIII (BGBl. I 2011 S. 2022). Sie schließt an die Regelung des § 97 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts i. d. F. bis 31.3.1993 (BGBl. I S. 1163) an und umfasste aufgrund des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) seit dem 1.4.1993 in einer eigenständigen Norm zunächst auch eine Kostenerstattungspflicht für jene Aufgaben der Jugendhilfe, die der Jugendhilfeträger i. S. d. § 43 (Herausnahme des Kindes oder des Jugendlichen ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten) zu erbringen hatte (siehe hierzu Regierungsbegründung BT-Drs. 12/2866 S. 24). Im Rahmen des 2. SGB VIII-ÄndG v. 15.12.1995 (BGBl. I S. 1775), das am 1.1.1996 in Kraft getreten ist, wurde Abs. 2 redaktionell geändert. Absatz 3 ist infolge der Änderung des § 86 Abs. 7 Satz 1 HS 2 durch das 2. SGB XI-ÄndG v. 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188) mit Wirkung zum 1.7.1998 angefügt worden. Im Zuge der systematischen Neufassung des § 42 unter Einbeziehung des Regelungsinhalts des § 43 a. F. durch Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) ist § 89b nunmehr Folgeänderung.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 89b regelt in seinem Abs. 1 die Kostenerstattungspflicht des örtlichen Trägers, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt (g.A.) nach § 86 begründet wird. Soweit die Zuständigkeit an den g.A. nicht angeknüpft werden kann und (hilfsweise) nur der tatsächliche Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen in Betracht kommt, trifft die Erstattungspflicht den überörtlichen Träger bzw. die nach Landesrecht bestimmte andere zuständige Stelle (Abs. 2; § 89g). Eine auf § 87 basierende Zuständigkeit für die Inobhutnahme Asylsuchender setzt sich fort, wenn daran anschließend Leistungen (i. S. d. § 2 Abs. 2) gewährt werden (z. B. eine Hilfe zur Erziehung nach § 2 Abs. 2 Nr. 4). Die Kostenerstattung wird in diesen Fällen über die Aufwendungen für die Inobhutnahme hinaus auf solche Leistungen ausgedehnt (Abs. 3).
2 Rechtspraxis
2.1 Kostenerstattung durch den örtlichen Träger am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes (Abs. 1)
Rz. 3
§ 87 knüpft die Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nach § 42 (Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen) an den tatsächlichen Aufenthalt des Minderjährigen vor Beginn der Leistung an, um den am "Ort des Geschehens" vorhandenen Träger im Falle von Kriseninterventionen zeitnah und ohne jegliche (ggf. schwierige) Zuständigkeitsbestimmung in die Pflicht des Handelns nehmen zu können. § 89b Abs. 1 schafft für einen derartigen, i. d. R. eher zufällig auftretenden Eilfall, einen Kostenausgleich und verfolgt damit wie § 89a das Ziel, eine ungleichmäßige Belastung der Träger, vor allem der des großstädtischen Bereichs, zu beseitigen. Kostenerstattungspflichtig ist deshalb der örtliche Träger, der an sich nach § 86 zuständig wäre, und zwar aufgrund des g.A.
Abs. 1 kann keine Erstattungsansprüche eines einstweilig tätig gewordenen örtlichen Trägers begründen, wenn sich die Zuständigkeit des anderen örtlichen Trägers aus § 88a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 als lex specialis zu § 86 ergibt. Abs. 1 findet auf Fälle der Inobhutnahme entwichener unbegleiteter minderjähriger Ausländer auch keine entsprechende Anwendung (VG Stuttgart, Urteil v. 20.12.2021, 7 K 6259/20; VG Karlsruhe, Urteil v. 19.7.2022, 8 K 4700/21; Urteil v. 6.12.2022, 8 K 108/21).
2.2 Kostenerstattung durch den überörtlichen Träger (Abs. 2)
Rz. 4
Für den Fall, dass ein kostenerstattungspflichtiger Träger nicht vorhanden sein sollte, weil die Zuständigkeit nach der Grundregel des § 86 nicht an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden kann, sondern hilfsweise auf dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen beruht, trifft die Erstattungspflicht den überörtlichen Träger, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der die vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen getroffen hat. "Nicht vorhanden" i. S. d. Abs. 2 ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger selbst dann, wenn er nicht ermittelbar ist, beispielsweise im Fall der Inobhutnahme im Anschluss an eine anonyme Geburt (vgl. Bay VGH, Urteil v. 9.6.2005, 12 BV 03.1971). Zur Bestimmung einer nach Landesrecht abweichenden Stelle vgl. die Ausführungen zu § 89g.
2.3 Fortgesetzte Kostenerstattungspflicht für Asylsuchende (Abs. 3)
Rz. 5
Erfordern die vorläufigen Maßnahmen nach § 42 die Gewährung einer daran anschließenden Leistung i. S. d. § 2 Abs. 2, so bleibt hierfür gemäß § 86 Abs. 7 Satz 1 HS 2 i. d. F. des 2. SGB VIII-ÄndG der zuvor nach § 87 örtlich zuständige Träger weiterhin zuständig. Ein Zuständigkeitswechsel findet insofern nicht statt. Dementsprechend sorgt die Regelu...