0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Regelung des § 89c gilt seit dem 1.1.2012 i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022). Sie knüpft an die ehemalige Kostenerstattungsbestimmung des § 97 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts i. d. F. bis 31.3.1993 (BGBl. I S. 1163) an und ersetzt seit dem 1.4.1993 im Rahmen des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) § 97 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 a. F. in Gestalt einer nunmehr eigenständigen Vorschrift. Darüber hinaus wurde mit der Ergänzung der fortdauernden Leistungsverpflichtung eines Jugendhilfeträgers im Falle des Eintritts eines Zuständigkeitswechsels ein neuer Kostenerstattungstatbestand geschaffen (BT-Drs. 12/2866 S. 24). Auf Anregung des Bundesrates ist in Abs. 1 ein Verweis auf die Regelungen der § 86a und § 86b miteinbezogen worden (BT-Drs. 12/2866 S. 35, 43). In § 89c Abs. 2 wurde die Angabe "100 Deutsche Mark" durch "50 Euro" im Zuge des Gesetzes zur Umstellung von Vorschriften aus den Bereichen des Verkehrs-, Bau- und Wohnungswesens sowie der Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf den Euro (Zehntes Euro-Einführungs-Gesetz – 10. EuroEG) v. 15.12.2001 (BGBl. I S. 3782) mit Wirkung v. 1.1.2002 ersetzt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit der Bestimmung des § 89c Abs. 1 soll der Jugendhilfeträger, der im Falle eines eingetretenen Zuständigkeitswechsels auf der Basis des § 86c zur fortgesetzten Leistung verpflichtet ist, finanziell entlastet werden. Gleiches gilt, soweit ein Träger im Hinblick auf seine Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d Kosten nur deshalb aufwenden musste, weil entweder die örtliche Zuständigkeit nicht feststand oder der an sich zuständige örtliche Jugendhilfeträger nicht tätig geworden ist. Abs. 2 regelt den sog. "Verwaltungskostenaufschlag" im Falle des Vorliegens einer pflichtwidrigen Handlung eines Trägers, wenn dieser beispielsweise, obschon er örtlich zuständig ist, die Fortsetzung der Leistung aus unverständlichen Gründen verzögert und deshalb der bis zum Eintritt des Zuständigkeitswechsels zuständige Träger die Leistung weiterhin erbringen muss. Soweit ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden sein sollte, trifft die Erstattungspflicht den überörtlichen Jugendhilfeträger (Abs. 3).
2 Rechtspraxis
2.1 Erstattung der Kosten bei fortdauernder Leistungsverpflichtung (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 3
Durch die Regelung des § 89c Abs. 1 Satz 1 wird festgelegt, dass der Jugendhilfeträger, der seiner Verpflichtung nach § 86c nachgekommen ist, die Jugendhilfeleistung bei einem Zuständigkeitswechsel so lange fortzusetzen, bis der neu zuständig gewordene Träger die Leistung weiterführt, gegenüber dem inzwischen zuständig gewordenen Träger die Erstattung seiner aufgewendeten Kosten verlangen kann. Dies gilt selbst dann, wenn der erstattungsberechtigte Träger unter Umständen Leistungen erbracht hat, für die er möglicherweise in Gänze oder auch lediglich zum Teil "nur" nachrangig zuständig gewesen sein mag, z. B. im Falle eines mehrfach behinderten Kindes oder Jugendlichen, für das/den ein etwaiger Anspruch auf Eingliederungshilfemaßnahmen im Sinne des SGB XII vorhanden gewesen wäre. Da ein Nachrang der Maßnahmen der Jugendhilfe gegenüber Maßnahmen der Eingliederungshilfe wegen der Behinderung nur für die Kostenerstattung zwischen dem Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger bedeutsam ist (BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 5 C 26/98, BVerwGE 109 S. 325 = FEVS 51 S. 337 = ZfS 2002 S. 279), tangiert er den Kostenerstattungsanspruch des früher örtlich zuständigen (erstattungsberechtigten) Jugendhilfeträgers gegen den örtlich zuständig gewordenen (erstattungspflichtigen) Jugendhilfeträger nach § 89c nicht. Dem Erstattungsanspruch aus § 89c lässt sich vor allem nicht entgegenhalten, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger seinen Anspruch unter Hinweis auf § 104 SGB X vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger hätte geltend machen müssen, denn er ist hier nicht in eigener örtlicher Zuständigkeit tätig gewesen, sondern im Zuge seiner fortgesetzten Leistungspflicht nach § 86c. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 104 SGB X bewirkt gegenüber einem Anspruch gemäß § 89c kein Vorrangverhältnis und verdrängt einen solchen Anspruch auch nicht. Den gesetzlichen Regelungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Anspruch eines örtlich nicht mehr zuständigen, nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers gegen einen vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger auf Kostenerstattung dem Anspruch nach § 89c vorgeht. Für einen derartigen Vorrang gibt es indes auch keinen sachlichen Grund. Selbst wenn in solchen Fallkonstellationen ggf. 2 Erstattungsverfahren durchzuführen sind, rechtfertigt es nicht, dem örtlich nicht mehr zuständigen und im Zuge des § 86c tätigen Jugendhilfeträger den Erstattungsanspruch gegen den zuständig gewordenen Jugendhilfeträger nach § 89c unter Hinweis auf eine mögliche Erstattungspflicht des Sozialhilfeträgers zu versagen. Deshalb schließt ein eventueller Nachrang der Jugendhilfe gegenüber der nach den Bestimmungen des SGB XII zu leistenden Eingliederungshilfe den Kostenerstattungsanspruch des bislang zuständigen Jugendhi...