2.1 Kostenerstattung durch das Land (Abs. 1)
Rz. 3
Abs. 1 bestimmt die Kostenerstattungspflicht des Landes bei der Gewährung von Jugendhilfe für junge Menschen sowie Leistungsberechtigte nach § 19 nach der Einreise. Zum Begriff des "jungen Menschen" siehe Erläuterungen zu § 7. Entsprechend § 89d Abs. 1 in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung soll mit der Formulierung "... wird Jugendhilfe gewährt" klargestellt werden, dass sich die Erstattungspflicht nicht nur auf die Kosten der Leistungen i. S. d. § 2 Abs. 2 beschränkt, sondern gleichfalls die Kosten der anderen Aufgaben nach § 2 Abs. 3 einbezieht, insbesondere solche vorläufigen Charakters, etwa nach § 42 (Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen). Der Erstattungspflicht unterliegen allerdings nach wie vor ausschließlich die Sachkosten, nicht die Verwaltungskosten (§ 109 Satz 1 SGB X), wobei anfallende Dolmetscherkosten im Falle von geleisteter Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen den Regelungen des § 109 S. 2 SGB X unterliegen und insofern erstattungsfähig sind, sofern sie 200,00 EUR übersteigen (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 6.7.2010, J 9.240 CL, JAmt 2010 S. 368).
Rz. 4
Der gegenüber dem Land realisierbare Kostenerstattungsanspruch nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzt im Vorfeld zunächst die Einreise, also den rein physischen Grenzübertritt, des jungen Menschen bzw. des nach § 19 Leistungsberechtigten voraus. Weitere Voraussetzung ist die Gewährung von Jugendhilfe innerhalb eines Monats nach der Einreise, wobei die Feststellung des Tags der Einreise nach Abs. 1 Satz 2 in 3 nacheinander – je nach Feststellungsmöglichkeit – abgestuften Schritten erfolgen kann:
- Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde. Die amtliche Feststellung wird bei Asylsuchenden beispielsweise i. d. R. durch die Grenzbehörde oder spätestens durch die Aufnahmeeinrichtung erfolgen.
- Subsidiär ist der Tag maßgeblich, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt worden ist (z. B. durch jedwede Amtshandlung bei der Melde-, Ausländerbehörde oder sonstigen Behörde).
- Als letzte Alternative kommt (wiederum subsidiär) der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt in Betracht, sofern die beiden zuvor genannten Varianten ausscheiden.
Rz. 5
Dabei ist völlig irrelevant, dass in Fällen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. nur der Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt ist. Auf dessen Grenzübertritt kommt es hier nicht an, sondern vielmehr auf den des Kindes oder Jugendlichen. Die Frist "innerhalb eines Monats" bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem Tag der Einreise und dem Tag, an dem der örtliche Jugendhilfeträger über die Gewährung der Jugendhilfe entscheidet.
Die Kostenerstattungspflicht wird jedoch – so wie nach der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung – nicht in allen Fällen begründet, in denen einem jungen Menschen bzw. einem nach § 19 Leistungsberechtigten Jugendhilfe gewährt wird. Dementsprechend nahm Abs. 1 Satz 1 a. F. solche jungen Menschen aus, die im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt (g.A.) haben. Handelte es sich bei den einreisenden Personen um Kinder und Jugendliche, trat eine Kostenerstattungspflicht auch dann nicht ein, wenn diese Voraussetzungen zwar beim Kind oder Jugendlichen erfüllt waren, jedoch dessen Eltern oder der nach § 86 Abs. 1 bis 3 maßgebliche Elternteil einen g.A. im Inland hat (§ 89 d Abs. 1 Satz 2 i. d. F. bis 30.6.1998).
Rz. 6
In der aktuellen Fassung sind die beiden Ausschlusskriterien (kein g.A. der einreisenden Person und kein g.A. der Eltern oder des maßgeblichen Elternteils) miteinander kombiniert und positiv gefasst worden, um eine überörtliche Kostenerstattung ausschließlich auf die Fälle zu beschränken, in denen kein Anknüpfungspunkt im Inland über einen g.A. der einreisenden Person oder deren Eltern existiert. Positiv ausgedrückt bedeutet dies nun: Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HS 1 nur dann, wenn für die Gewährung von Jugendhilfe (Leistungen und andere Aufgaben i. S. d. § 2 Abs. 2 und 3) auf den tatsächlichen Aufenthalt im Inland abgestellt werden muss. Das wird durch die Formulierung "... und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person richtet" deutlich. Im Einzelnen ergeben sich im Hinblick darauf folgende Fallvarianten:
- § 86 Abs. 2 Satz 4 (Bezugnahme auf den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen, weil weder ein g.A. der Eltern bzw. des Elternteils noch ein g.A. des Kindes oder Jugendlichen gegeben ist),
- § 86a Abs. 3 (tatsächlicher Aufenthalt des jungen Volljährigen, weil kein g.A. des jungen Volljährigen im Inland gegeben ist),
- § 86a Abs. 4 (tatsächlicher Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen bei fortgesetzter Leistung über die Volljährigkeit hinaus),
- § 86b Abs. 2 (tatsächlicher Aufenthalt des Leistungsberechtigten nach § 19, weil kein g.A. gegeben ist),
- § 87 (tatsächlicher Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen als generelle Anknüpfung für die Inobhutnahme).
Rz. 7
Dies schließt nicht aus, dass z. B. unbegleitete Flüchtlingskind...