0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 89d gilt nach umfassender Neuordnung sowohl in inhaltlicher als auch systematischer Hinsicht seit dem 1.7.1998 i. d. F. des 2. SGB XI-ÄndG v. 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188) in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung des SGB VIII (BGBl. I 2011 S. 2022). Die neue Kostenerstattungsbestimmung schließt an § 97 Abs. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts v. 26.6.1990 (BGBl. S. 1163) – KJHG – i. d. F. bis 31.3.1993 an. Sie wurde zunächst im Rahmen des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) mit Wirkung ab 1.4.1993 inhaltlich neu gefasst. Anstelle des Verweises auf § 108 BSHG ist eine den Bedürfnissen der Jugendhilfe angepasste eigenständige Regelung getreten. Im Übrigen wurde die Vorschrift redaktionell überarbeitet (BT-Drs. 12/2866 S. 24). Ziel der umfassenden Neuordnung des § 89d zum 1.7.1998 war vor allem, in der Vergangenheit aufgetretene Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Kostenerstattungsansprüche gegenüber einzelnen überörtlichen Trägern der Jugendhilfe zu beseitigen. Im Unterschied zur Fassung bis 30.6.1998 wird die Kostenerstattungspflicht nunmehr unmittelbar den Ländern zugewiesen. Sie können diese Pflicht durch Landesrecht auch auf andere Körperschaften des öffentlichen Rechts (z. B. höhere Kommunalverbände) übertragen (§ 89g).
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher v. 28.10.2015 (BGBl. I S. 1802) zum 1.11.2015 wurde § 89 d Abs. 3 teilweise geändert und aufgehoben. Abs. 3 tritt darüber hinaus zum 1.7.2017 dann gänzlich außer Kraft.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 89d i. d. F. bis 30.6.1998 bestimmte in Abs. 1 neben der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers bereits die örtliche Zuständigkeit für den Fall, dass die einreisende Person im Inland geboren ist. § 89 d in der Neufassung (ab 1.7.1998) normiert in Abs. 1 lediglich die sachliche Zuständigkeit der Länder für die Kostenerstattungspflicht. Die örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Landes wird für die beiden Alternativen in den anschließenden Absätzen geregelt (Abs. 2: Geburtsort im Inland; Abs. 3: Geburtsort im Ausland). Dies bedeutet, dass Abs. 1 (neu) bereits abschließend die sachliche Zuständigkeit des Landes für alle Kostenerstattungsalternativen regelt.
2 Rechtspraxis
2.1 Kostenerstattung durch das Land (Abs. 1)
Rz. 3
Abs. 1 bestimmt die Kostenerstattungspflicht des Landes bei der Gewährung von Jugendhilfe für junge Menschen sowie Leistungsberechtigte nach § 19 nach der Einreise. Zum Begriff des "jungen Menschen" siehe Erläuterungen zu § 7. Entsprechend § 89d Abs. 1 in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung soll mit der Formulierung "... wird Jugendhilfe gewährt" klargestellt werden, dass sich die Erstattungspflicht nicht nur auf die Kosten der Leistungen i. S. d. § 2 Abs. 2 beschränkt, sondern gleichfalls die Kosten der anderen Aufgaben nach § 2 Abs. 3 einbezieht, insbesondere solche vorläufigen Charakters, etwa nach § 42 (Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen). Der Erstattungspflicht unterliegen allerdings nach wie vor ausschließlich die Sachkosten, nicht die Verwaltungskosten (§ 109 Satz 1 SGB X), wobei anfallende Dolmetscherkosten im Falle von geleisteter Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen den Regelungen des § 109 S. 2 SGB X unterliegen und insofern erstattungsfähig sind, sofern sie 200,00 EUR übersteigen (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 6.7.2010, J 9.240 CL, JAmt 2010 S. 368).
Rz. 4
Der gegenüber dem Land realisierbare Kostenerstattungsanspruch nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzt im Vorfeld zunächst die Einreise, also den rein physischen Grenzübertritt, des jungen Menschen bzw. des nach § 19 Leistungsberechtigten voraus. Weitere Voraussetzung ist die Gewährung von Jugendhilfe innerhalb eines Monats nach der Einreise, wobei die Feststellung des Tags der Einreise nach Abs. 1 Satz 2 in 3 nacheinander – je nach Feststellungsmöglichkeit – abgestuften Schritten erfolgen kann:
- Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde. Die amtliche Feststellung wird bei Asylsuchenden beispielsweise i. d. R. durch die Grenzbehörde oder spätestens durch die Aufnahmeeinrichtung erfolgen.
- Subsidiär ist der Tag maßgeblich, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt worden ist (z. B. durch jedwede Amtshandlung bei der Melde-, Ausländerbehörde oder sonstigen Behörde).
- Als letzte Alternative kommt (wiederum subsidiär) der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt in Betracht, sofern die beiden zuvor genannten Varianten ausscheiden.
Rz. 5
Dabei ist völlig irrelevant, dass in Fällen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. nur der Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt ist. Auf dessen Grenzübertritt kommt es hier nicht an, sondern vielmehr auf den des Kindes oder Jugendlichen. Die Frist "innerhalb eines Monats" bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem Tag der Einreise und dem Tag, an dem der örtliche Jugendhilfeträger über die Gewährung der Jugendhilfe entscheidet.
Die Kostenerstattungspflicht wird jedoch – so wie nach der bis zum 30.6.1998 ...