Rz. 3
Die Kostenerstattung beschränkt sich auf solche Kosten, die der Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII entsprechen. Die Erstattungspflicht des zur Kostenerstattung verpflichteten Trägers umfasst somit alle Leistungen, die dem Hilfe gewährenden Träger in rechtmäßiger Anwendung des SGB VIII entstanden sind. Aufgewendete Kosten i. S. d. § 89f Abs. 1 Satz 1 sind solche Ausgaben eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die ohne Zweifel abgrenzbar einer ganz bestimmten Jugendhilfemaßnahme individuell zugeordnet werden können. Erstattungsfähig i. S. d. Vorschrift sind allerdings nur die reinen Netto-Aufwendungen in dem betreffenden Hilfefall nach vorherigem Abzug aller Einnahmen, z. B. aus der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Drittverpflichteten wie Kostenbeiträge, BAföG-Leistungen, ggf. sonstige Ersatzleistungen Dritter. Ansprüche gegen Dritte kann ausschließlich der die Hilfe gewährende Träger geltend machen. Der erstattungspflichtige Träger ist hierzu nicht aktivlegitimiert, da er selbst keine Hilfe gewährt. Merkmale einer rechtmäßigen Erfüllung von Aufgaben nach dem SGB VIII können insbesondere sein:
- Durchführung einer ordnungsgemäßen Hilfeplanung i. S. d. § 36 unter Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen, des Personensorgeberechtigten sowie der im Einzelfall zu beteiligenden Fachkräfte,
- Aufstellung und regelmäßige Fortschreibung des individuellen Hilfeplans,
- Angebot alternativer Hilfsangebote bzw. Hilfeformen vor endgültiger Entscheidung über die Hilfegewährung,
- Ergebnisdokumentation hinsichtlich der jeweiligen Voraussetzungen zur Hilfegewährung.
Rz. 4
Dennoch ist die Gewährung einer Jugendhilfeleistung nicht allein schon deshalb rechtswidrig, weil
- Unregelmäßigkeiten im Hilfeplanverfahren festzustellen sind (beispielsweise etwa das Vorliegen eines unvollständigen Hilfeplans oder eine unzureichende Aktenführung), wenn ansonsten hierdurch der Kern der eigentlichen Hilfemaßnahme nicht berührt ist und diese unter Beachtung aller Erfordernisse ansonsten in derselben Art und Weise zu gewähren gewesen wäre (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil v. 24.6.1999, 5 C 24.98, BVerwGE 109 S. 155 = ZfJ 2000 S. 31 = NDV-RD 2000 S. 4 = FEVS 51 S. 152).
Rz. 5
In jedem Fall liegt eine rechtswidrige Hilfegewährung mit teilweisem bzw. gänzlichem Ausschluss der Kostenerstattung vor, wenn z. B.
- der Personensorgeberechtigte als Anspruchsinhaber in die Gewährung einer Hilfe zur Erziehung nach § 27 ff. nicht eingewilligt hat, sei es durch eine eindeutige Willensäußerung oder mittels eines Antrages und die Hilfe dem Anspruchsberechtigten quasi aufgezwungen wird, es sei denn, dass der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Hierzu ist § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X heranzuziehen, wonach der in dem Fehlen des für den Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlichen Antrags liegende Verfahrensfehler dadurch geheilt werden kann, dass der erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Diese Vorschrift ist nicht etwa nur analog, sondern direkt auf eine Erklärung des Personensorgeberechtigten für die Inanspruchnahme von Jugendhilfe nach §§ 27 ff. anzuwenden. Auch tritt die Heilung des Verfahrensfehlers mit Rückwirkung, d. h. "ex tunc" ein. Dies bedeutet, dass der Verwaltungsakt von dem Tage seiner Heilung an so anzusehen ist, als sei er stets mangelfrei gewesen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 6.3.2007, 12 S 2473/06, EuG 2007 S. 229, JAmt 2007 S. 370 mit Verweis auf BSG, Urteil v. 6.10.1994, GS 1/91, BSGE 75 S. 163; von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 41 Rz. 3),
- den Eltern lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge entzogen wurde, dem Jugendamt als bestelltem Aufenthaltsbestimmungspfleger die Befugnis, Hilfe zur Erziehung in Anspruch nehmen zu können, durch einen daran anschließenden Beschluss des Familiengerichts nicht erteilt worden ist, eine Hilfe ungeachtet dessen dennoch gewährt wird,
- eine Inobhutnahme eines unbegleiteten Kindes oder Jugendlichen nach der Einreise zum Zwecke der Abklärung weiterer Maßnahmen – gewissermaßen durch Zeitablauf – rein faktisch gesehen in eine Hilfe zur Erziehung "übergleitet", ohne dass unverzüglich, d. h. innerhalb von 3 Tagen, das Familiengericht angerufen wurde (vgl. hierzu BVerwG, Urteil v. 24.6.1999, 5 C 24.98, BVerwGE 109 S. 155 = ZfJ 2000 S. 31 = NDV-RD 2000 S. 4 = FEVS 51 S. 152),
- im Falle einer Personalunion von Amtsvormund und Fachkraft im ASD alle das Mündel betreffende Entscheidungen von einer Person getroffen werden. Äußerst problematisch ist in diesen Fällen, dass sowohl die Antragstellung als auch die Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zur Erziehung durch ein und dieselbe Person erfolgt. Die Rechtswidrigkeit der Hilfegewährung ergibt sich infolge der Interessenkollision allein schon im Hinblick auf § 16 Abs. 1 SGB X.
Rz. 6
Nach § 109 Satz 1 SGB X werden nur die Sachkosten, nicht jedoch die Verwaltungskosten erstattet. Unter dem Begriff "Sachkosten" sind hier alle Aufwendungen zu verstehen, die im Rahmen...