0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Regelung des § 89f ist im Rahmen des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) als eigenständige Rechtsnorm geschaffen worden. Sie beruht auf § 97 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (BGBl. I S. 1163) i. d. F. bis 31.3.1993. Sie gibt eine Art Rahmen vor, in dem sich der Umfang der zu erstattenden Kosten bewegt und knüpft an die Kostenerstattungsvorschriften des Jugendwohlfahrtsgesetzes an (§ 83 Abs. 1 JWG, § 111 BSHG sowie die Fürsorgerechtsvereinbarung v. 26.6.1965). § 89f galt i. d. F. des Art. 8c Nr. 2 des Gesetzes zur Umstellung von Vorschriften aus den Bereichen des Verkehrs-, Bau- und Wohnungswesens sowie der Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf den Euro (Zehntes Euro-Einführungs-Gesetz – 10. EuroEG) v. 15.12.2001 (BGBl. I S. 3782) mit Wirkung zum 1.1.2002 und wurde um einen 3. Abs. durch Art. 8 Nr. 2 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) mit Wirkung zum 1.1.2005 ergänzt. Dieser Abs. 3 ist mit Inkrafttreten des Art. 1 Nr. 44 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz – KICK) v. 8.9.2005 (BGBl. I S. 2729) ersatzlos wieder gestrichen worden, da für die in dieser Bestimmung getroffene Regelung im Kontext der Leistungen der Jugendhilfe kein Regelungsbedarf bestand. § 89f gilt seit dem 1.1.2012 i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift erfasst solche Kosten für Maßnahmen der Jugendhilfe, die in Anwendung der Rechtsnormen des SGB VIII rechtmäßig aufgewendet wurden. Dabei gelten die Grundsätze des die Hilfe leistenden Trägers, die in seinem Bereich zum Zeitpunkt des Tätigwerdens angewandt werden. Dies gilt insbesondere für Ermessensleistungen. Mangels eigenständiger Regelung im SGB VIII finden §§ 108 f. sowie §§ 111 bis 113 SGB X unmittelbare Anwendung, wobei die gesetzliche Ausschlussfrist des § 111 in der Praxis häufiger zur Geltung kommt, wenn es darum geht, Erstattungsansprüche rechtzeitig geltend zu machen. § 89f engt dabei (so beispielsweise im Hinblick auf die Erstattungsregelung des § 89a i. V. m. § 86 Abs. 6) den Begriff der aufgewendeten Kosten nicht nur auf die Kosten ein, die ein Jugendhilfeträger als Leistungserbringer aufgewendet hat. Vielmehr werden insbesondere auch die Kosten nicht ausgeschlossen, die ein Jugendhilfeträger für eine Erstattung an einen anderen (dritten) – unzuständig leistenden – Jugendhilfeträger, der statt seiner Jugendhilfe geleistet hat, aufgewendet hat. § 89f Abs. 1 regelt allein den Umfang der Kostenerstattung abhängig vom Ausmaß der Aufgabenerfüllung. Die Vorschrift bestimmt aber nicht, wer die Aufgabe erfüllt haben muss, und damit nicht, dass nur der Jugendhilfeträger erstattungsberechtigt sei, der die Jugendhilfeleistung selbst erbracht hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 5.4.2007, 5 C 25/05, JAmt 2007 S. 437 = NDV-RD 2007 S. 107 = EuG 2007 S. 397). Die sog. Bagatellgrenze sieht vor, dass Kosten unter 1.000,00 EUR nur bei Hilfen nach § 89b (vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, § 89c bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungserbringung sowie § 89d, Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise) erstattet werden. Darüber hinaus findet eine Erstattung von Kosten unter 1.000,00 EUR nicht statt. Die Möglichkeit, Verzugszinsen geltend zu machen, besteht nicht. Prozesszinsen hingegen können in sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB verlangt werden.
2 Rechtspraxis
2.1 Umfang der erstattungsfähigen Kosten (Abs. 1)
2.1.1 Rechtmäßige Hilfegewährung
Rz. 3
Die Kostenerstattung beschränkt sich auf solche Kosten, die der Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII entsprechen. Die Erstattungspflicht des zur Kostenerstattung verpflichteten Trägers umfasst somit alle Leistungen, die dem Hilfe gewährenden Träger in rechtmäßiger Anwendung des SGB VIII entstanden sind. Aufgewendete Kosten i. S. d. § 89f Abs. 1 Satz 1 sind solche Ausgaben eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die ohne Zweifel abgrenzbar einer ganz bestimmten Jugendhilfemaßnahme individuell zugeordnet werden können. Erstattungsfähig i. S. d. Vorschrift sind allerdings nur die reinen Netto-Aufwendungen in dem betreffenden Hilfefall nach vorherigem Abzug aller Einnahmen, z. B. aus der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Drittverpflichteten wie Kostenbeiträge, BAföG-Leistungen, ggf. sonstige Ersatzleistungen Dritter. Ansprüche gegen Dritte kann ausschließlich der die Hilfe gewährende Träger geltend machen. Der erstattungspflichtige Träger ist hierzu nicht aktivlegitimiert, da er selbst keine Hilfe gewährt. Merkmale einer rechtmäßigen Erfüllung von Aufgaben nach dem SGB VIII können insbesondere sein:
- Durchführung einer ordnungsgemäßen Hilfeplanung i. S. d. § 36 unter Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen, des Personensorgeberechtigten sowie der im Einzelfall zu beteiligenden Fachkräfte,
- Aufstellung und regelmäßige Fortschreibung des individuellen Hilfeplans,
- Angebot alternativer Hilfsangebote bzw. Hilfeformen vor endgültiger Entscheidung über die Hilfegewährung,
- Ergebnisdokumentation hinsichtl...