0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 89h gilt seit dem 1.1.2012 i. d. F. der Bekanntmachung v. 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022). Die Bestimmung trat im Rahmen des 2. SGB XI-ÄndG v. 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188) zum 1.7.1998 als Folge der zeitgleichen Neuregelung des § 89d in Kraft (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 22). Die Vorschrift war in einer Fassung mit anderem Regelungsgehalt durch Art. 13 des Gesetzes zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) v. 23.6.1993 (BGBl. I S. 944) mit Wirkung zum 27.6.1993 eingeführt und im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) mit Wirkung v. 1.8.1996 wieder aufgehoben worden. § 89h a. F. eröffnete die Möglichkeit, Streitigkeiten kostenerstattungsrechtlicher Art nicht vor den Verwaltungsgerichten auszutragen, sondern vielmehr vor speziell hierfür vorgesehenen Schiedsgerichten. Eine parallel im BSHG eingefügte Rechtsnorm (§ 113a BSHG) räumte den Sozialhilfeträgern (ebenso wie den Jugendhilfeträgern in Abs. 2 a. F.) ein, Kostenerstattungsstreitigkeiten untereinander – auch unterhalb der verschiedenen Leistungsträger (Träger der Sozial-/Jugendhilfe) – in einem schiedsgerichtlichen Verfahren zu klären. Die Regelung des § 89h a. F. konnte im Hinblick auf dessen Abs. 3 allerdings erst nach Verabschiedung einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates wirksam werden. Diese Rechtsverordnung sollte das Nähere über die Bildung und Zusammensetzung der Schiedsgerichte, ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit sowie das Verfahren und die Kosten des Verfahrens regeln. Sie wurde bis zur Streichung der alten Fassung des § 89h jedoch nicht mehr verabschiedet, u. a. nicht zuletzt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 89h a. F. im Hinblick auf die Wahrung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Nach der Aufhebung dieser umstrittenen Regelung bleibt es – wie bislang geschehen – nach wie vor denkbar, sich einer freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit anzuschließen (entsprechend der Fürsorgerechtsvereinbarung v. 26.6.1965). Aus Anlass des Austritts zahlreicher Sozial- und Jugendhilfeträger aus dieser Fürsorgerechtsvereinbarung werden kostenerstattungsrechtliche Streitverfahren mittlerweile in aller Regel – mit Ausnahme in Baden-Württemberg – vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen. In Baden-Württemberg ist eine Vereinbarung zur Anwendung der Fürsorgerechtsvereinbarung (FRVBW) geschlossen worden, der bisher die überwiegende Mehrheit der dortigen Sozial- und Jugendhilfeträger beigetreten sind. Für die Abwicklung von Einzelstreitigkeiten, aber auch für einen generellen Beitritt stünde sie – wenn gewünscht – gleichfalls Sozial- und Jugendhilfeträgern aus den anderen Bundesländern offen.
1 Allgemeines/Rechtspraxis
Rz. 2
Die Vorschrift in der derzeit geltenden Fassung v. 1.7.1998 greift das Verfahren zur Regelung kostenerstattungsrechtlicher Ansprüche nach § 89d auf. Hat die Gewährung von Jugendhilfe bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 89d (1.7.1998) begonnen und mangelt es in diesen Fällen an einem Anknüpfungspunkt im Inland (Geburtsort), erfolgt die Bestimmung eines zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Trägers kraft Bestimmung durch das Bundesverwaltungsamt. § 89d gilt in seiner Fassung bis 30.6.1998 weiter, allerdings nur insoweit, als das Bundesverwaltungsamt bis zu diesem Zeitpunkt den erstattungspflichtigen überörtlichen Träger bestimmt hat. Erfolgt die Bestimmung des überörtlichen Trägers erst nach dem 30.6.1998, so gilt § 89d und die mit ihm einhergehenden Rechtsnormen der § 86 Abs. 7, § 89d Abs. 3 sowie § 89g in der ab dem 1.7.1998 geltenden Fassung. Dies bedeutet, nicht der Zeitpunkt des Beginns oder der Beendigung der Jugendhilfeleistung ist maßgeblich, sondern derjenige der rechtswirksam (mittels Verwaltungsakt; vgl. OVG NRW, Urteil v. 27.8.1998, 16 A 3477/97, ZfJ 1998 S. 467) getroffenen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsamt. Deshalb kann es durchaus vorkommen, dass bereits das neue Kostenerstattungsrecht anzuwenden ist, wenngleich es sich ggf. um einen sog. Altfall handelt, in dem die Jugendhilfemaßnahme vor dem 1.7.1998 begonnen wurde, das Bundesverwaltungsamt die Bestimmung allerdings erst nach dem 30.6.1998 vorgenommen hat. Findet das bis zum 30.6.1998 geltende Recht Anwendung, so richtet sich also die Kostenerstattungspflicht (noch) unmittelbar an den überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
2 Literatur
Rz. 3
Philipps/Eschelbach, Kommentare auf dem Prüfstand: Örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung im SGB VIII – Empirische Überprüfung einiger Annahmen in juristischen Kommentierungen zu §§ 86 ff. SGB VIII, JAmt 2009 S. 589;
Saurbier, Ende der Schiedsgerichtsbarkeit nach der Fürsorgerechtsvereinbarung, ZfF 2003 S. 121; Wiesner, Änderungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch – KJHG – durch das Sozialhilfereformgesetz, ZfJ 1996 S. 345; Zeitler, Änderungen des Rechts der Sozialhilfe zur örtlichen Zuständigkeit, Kostenerstattung und zum schiedsgerichtlichen Verfahren, NDV 1993 S. 289.