Rz. 31

Abs. 6 geht von der Situation aus, dass zur Wahrnehmung des Schutzauftrags das entsprechend § 87 Abs. 1 zuständige Jugendamt gehandelt hat, und nicht das für die Leistungsgewährung nach § 86 zuständige Jugendamt (vgl. dazu Rz. 15). Für diesen Fall sieht die Vorschrift Regelungen zur Fallübergabe an das für die Leistung zuständige Jugendamt vor; denn in den meisten Fällen werden weitere Leistungen an dem gewöhnlichen Aufenthaltsort der Familie zu erbringen sein. Es handelt sich um eine Spezialregelung, deren Regelungsgehalt sich von demjenigen in § 86c Abs. 2 unterscheidet. Dort ist die Fallübergabe bei Änderung der örtlichen Zuständigkeit infolge einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern i. S. d. § 86 Abs. 1 geregelt.

 

Rz. 32

Abs. 6 Satz 1 legitimiert das zur Wahrnehmung des Schutzauftrages zuständige Jugendamt zur Weitergabe der für die Wahrnehmung des Schutzauftrages erforderlichen Daten an das für die Leistungsgewährung zuständige Jugendamt. Voraussetzung ist, dass gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen bekannt geworden sind. Die Erkenntnisse über diese Anhaltspunkte sind dem für die Leistungsgewährung zuständigen Jugendamt mitzuteilen. Insoweit handelt es sich um eine Verpflichtung, die nicht im Ermessen steht. Die Befugnis zur Weitergabe der Daten folgt aus § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 64 Abs. 2 i. V. m. § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

 

Rz. 33

Die Art und Weise der Fallübergabe regelt Abs. 6 Satz 2. Die Fallübergabe soll im Rahmen eines Gesprächs zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen. Damit soll vermieden werden, dass bei einer schriftlichen Übermittlung Informationen verloren gehen und eventuelle Missverständnisse bei der Rezeption der schriftlichen Informationen geklärt werden können. Das Gespräch soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6256 S. 21) zeitnah erfolgen. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sollen an dem Gespräch beteiligt werden, soweit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen dadurch nicht beeinträchtigt wird. Diese Personen sollen von Anfang an in den weiteren Prozess der Gefährdungseinschätzung einbezogen werden. Zugleich soll das Transparenzgebot und das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Da es sich insoweit um eine Sollvorschrift handelt, darf von der gesetzlich vorgegebenen Vorgehensweise nur dann abgewichen werden, wenn hierfür nachvollziehbare Gründe vorliegen. Diese sollten dokumentiert werden.

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