Rz. 13

Während sich die Kostenerhebung nach § 90 Abs. 1 allein auf eine öffentlich-rechtliche Forderung bezieht, beziehen sich die Vorschriften über den Erlass oder die Übernahme sowohl auf die öffentlich-rechtlichen Kostenbeiträge als auch die privatrechtlich ausgestalteten Teilnahmebeiträge. Dies ist auch sachgerecht, weil die beiden Beitragsarten zugrunde liegende finanzielle Sachlage des Kindes, des Jugendlichen oder der Eltern dieselbe ist.

In den Fällen der Jugendarbeit nach § 11 und der allgemeinen Förderung der Erziehung der Familie kann der Teilnahmebeitrag auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder vom Träger der Jugendhilfe übernommen werden, wenn dieser

  • dem Kind oder dem Jugendlichen und seinen Eltern oder dem jungen Volljährigen nicht zuzumuten ist und
  • die Förderung für die Entwicklung des jungen Menschen erforderlich ist.
 

Rz. 14

Der Erlass oder die Übernahme setzt eine unzumutbare Belastung des Leistungsempfängers sowie Erforderlichkeit der Förderung voraus. Bei Kindern, d. h. Personen unter 14 Jahren (§ 7 Abs. 1 Nr. 1), und Jugendlichen, also Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 2), werden bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit nicht nur der Leistungsempfänger selbst, sondern auch die Eltern – unter dem Aspekt der Personen- und Vermögenssorge nach § 1626 Abs. 2 BGB – einbezogen. In den Fällen, in denen das Kind oder der Jugendliche nur mit einem Elternteil zusammenlebt, wird nur dieser in die Betrachtung der Unzumutbarkeit einbezogen (§ 90 Abs. 2 Satz 2). Die Feststellung der Unzumutbarkeit richtet sich nach den Sätzen 3 bis 4.

 

Rz. 15

Die Erforderlichkeit der Förderung richtet sich nach dem konkreten Einzelfall. Maßstab für die Bewertung ist die Entwicklung des jungen Menschen einerseits und die mit Bezug auf den individuellen Entwicklungsstand gewählte Maßnahme andererseits. Eine Gefährdung des Kindeswohls i. S. v. § 1666 BGB ist nicht Voraussetzung.

 

Rz. 16

Die Ermittlung der zumutbaren Belastung erfolgt wahlweise anhand von 2 Parametern:

Für die Beurteilung der Zumutbarkeit greift der Bundesgesetzgeber auf die Regelungen zurück, die im Sozialhilferecht für die Ermittlung des sog. bereinigten Einkommens gelten. Danach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme von Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz oder entsprechender Leistungen. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (das sog. Arbeitslosengeld II) nach dem SGB II gehören nicht zum Einkommen (a. A. noch DIJuF-Rechtsgutachten v. 21.6.2006, J 3.317 Sch). Zwar klammert § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII seinem Wortlaut nach allein Leistungen nach dem SGB XII vom Einkommensbegriff aus. Umgekehrt bestimmt im Regelungssystem des SGB II § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II wiederum, dass Leistungen nach dem SGB II im dortigen Regelungsregime nicht als Einkommen gelten. Für eine unterschiedliche, wechselseitige Behandlung von Leistungen als Einkommen ist jedoch kein Grund ersichtlich, sodass die Privilegierung des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf Leistungen nach dem SGB II entsprechend anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat hier offensichtlich die beiden Leistungssysteme des SGB II und XII nicht aufeinander abgestimmt (vgl. dazu Schmidt, in: juris-PK SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 82 Rz. 35 m. w. N.). Nicht zum Einkommen gehört das Vermögen, jedoch die Erträgnisse aus diesem Vermögen (§ 82 Abs. 1 SGB XII). Bildungskredite an nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) geförderte Personen gehören nicht zum Einkommen, da diese Kredite nicht mit dem Zweck der Gewährung von Jugendhilfe durch die Übernahme von Teilnahmebeiträgen identisch sind (Nds. OVG, Beschluss v. 31.5.2007, 4 LC 85/07). Eine Berufsausbildungsbeihilfe soll in entsprechender Anwendung des § 83 SGB XII bei der Einkommensberechnung zu berücksichtigen sein (OVG des Saarlandes, Urteil v. 4.7.2019, 2 A 225/18 Rz. 20). Das nach den Bestimmungen des SGB XII ermittelte Einkommen – Einkommen abzüglich Steuern, Werbungskosten und Sonderausgaben (Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, notwendige Versicherungen, Beiträge u. a., vgl. § 82 Abs. 2 SGB XII) – wird der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII gegenübergestellt. Liegt das tatsächliche Einkommen über dieser Einkommensgrenze, ist ein angemessener Umfang des Teilnahme- oder Kostenbeitrags nach § 87 SGB XII zuzumuten. § 92 SGB XII (bis zum 31.12.2019: § 92a SGB XII) regelt den Fall, dass infolge der Inanspruchnahme von Leistungen einer teilstationären oder stationären Einrichtung ggf. eigene Aufwendungen zur Haushaltsführung erspart werden. Liegt eine solche Ersparnis tatsächlich vor, können die ersparten Aufwendungen beim Leistungsempfänger und dem Ehegatten oder Lebenspartner als Einkommensersatz angerechnet werden. In den Fällen des § 88 SGB XII ist auch eine Beteiligung unterhalb der Einkommensgrenze zumutbar.

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