2.1 Grundsätze der Heranziehung, Reihenfolge der Kostenbeitragspflichtigen
Rz. 3
Nach Abs. 1 sind die Kostenbeitragspflichtigen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die Höhe der Kostenbeiträge ist begrenzt durch die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, dieser allgemeine Grundsatz ist dem Beitragsrecht entnommen.
Rz. 4
Die bisher in den Sätzen 3 und 4 a. F. festgelegte Rangfolge der Kostenbeitragspflichtigen ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe v. 21.12.2022 (BGBl. I S. 2824) mit Wirkung zum 1.1.2023 entfallen. Da nur noch Elternteile aus ihrem Einkommen zu den Kosten herangezogen werden (vgl. § 92 Abs. 1), ist die bisher in den Sätzen 3 und 4 vorgesehene Regelung zum Vorrang und Nachrang überflüssig geworden. Nach der Gesetzesbegründung könne davon ausgegangen werden, dass der Wegfall des Nachrangs der Kostenbeitragspflicht der Elternteile nicht dazu führe, dass Elternteile erstmalig oder in signifikant höherer Höhe zu den Kosten herangezogen würden (BT–Drs. 20/3439 S. 12 f.). Begründet wird dies mit der Überlegung, dass auch bislang die tatsächlichen Aufwendungen der Leistungen regelmäßig nicht vollständig durch den Kostenbeitrag der jungen Menschen, Leistungsberechtigten nach § 19 bzw. deren Ehegatten und Lebenspartner gedeckt worden seien.
2.2 Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen
Rz. 5
Abs. 2 konkretisiert den in Abs. 1 aufgestellten Grundsatz der Kostenerhebung in angemessenem Umfang. Danach sind bei der Bestimmung des Umfangs die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens und die Anzahl von Personen, die im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch oder Leistungsberechtigte nach § 19 (d. h. alleinerziehende Väter und Mütter von Kindern bis zu 6 Jahren) Unterhaltsansprüche gegen den kostenbeitragspflichtigen Elternteil haben, angemessen zu berücksichtigen. Die Rangfolge der Unterhaltsberechtigung bzw. -verpflichtung richtet sich nach dem bürgerlichen Recht (§§ 1601 f. BGB). Danach sind Verwandte in gerader Linie einander unterhaltsverpflichtet. Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten in aufsteigender Linie unterhaltsverpflichtet (§ 1606 BGB).
2.3 Einsatz des Kindergeldes
Rz. 6
Für Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses bestimmt Abs. 3 nunmehr, dass auch derjenige Elternteil, der Kindergeld bezieht, neben dem Kindergeld einen Beitrag aus seinem Einkommen in Anwendung der Abs. 1 und 2 zu leisten hat. Damit ist ausschließlich das jeweilige Einkommen beider Elternteile für die Berechnung des zusätzlichen Kostenbeitrages, der neben dem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erhoben wird, maßgeblich. Verweigert ein Elternteil die Zahlung eines Kostenbeitrages, so kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 Abs. 2 EStG in Höhe des auf dieses Kind entfallenden Kindergeldes einen Erstattungsanspruch geltend machen. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Familienkasse oder die Einrichtung, die das Kindergeld gewährt. Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und des Verfahrens verweist § 74 Abs. 2 EStG auf §§ 102 bis 109 und §§ 111 bis 113 SGB X. Der Erstattungsanspruch ist vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach der Leistungserbringung geltend zu machen (§ 111 SGB X) und verjährt in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistung erbracht wurde bzw. die Nichtzahlung durch einen Elternteil feststeht (§ 113 SGB X). Bei Kindern und Jugendlichen, die gemäß § 1 Abs. 2 BKGG selbst kindergeldberechtigt sind, sollte – nach früherer Rechtslage – eine Berücksichtigung des Kindergeldes als zweckgleiche Leistung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 möglich sein (VG München, Urteil v. 16.1.2019, M 18 K 17.3303, Rz. 24). Nach anderer Ansicht sollte in diesen Fällen eine Zweckidentität nicht vorliegen und auch eine analoge Anwendung von Abs. 3 ausscheiden (VG Freiburg, Urteil v. 27.2.2019, 4 K 1861/18 Rz. 19; Jordan, Sozialrecht aktuell 2019 S. 213).
Rz. 7
Durch Art. 1 des KJSG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurden mit Wirkung zum 10.6.2021 Ergänzungen in Abs. 3 Satz 3 und 4 hinsichtlich des Kostenbeitrags in Höhe des Kindergeldes vorgenommen. So wurde zur Klarstellung, dass ein Erstattungsanspruch auch möglich sein solle, wenn die Eltern das Kindergeld nach dem BKKG beziehen, die Regelung um Satz 3 ergänzt (BT-Drs. 19/26107 S. 113). Weiterhin wurde in Satz 4 ausdrücklich geregelt, dass auch junge Menschen, wenn sie das Kindergeld selbst beziehen, zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes herangezogen werden, sofern sie Leistungen über Tag und Nacht erhalten, und ein direkter Rückgriff des öffentlichen Trägers der freien Jugendhilfe auf das Kindergeld möglich ist (BT-Drs. 19/26107 S. 113). Durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe v. 21.12.2022 (BGBl. I S. 2824) wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 in Satz 5 eine Regelung zur Rangfolge für den Fall aufgenommen, dass der junge Mensch das Kindergeld bez...