Rz. 6
Für Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses bestimmt Abs. 3 nunmehr, dass auch derjenige Elternteil, der Kindergeld bezieht, neben dem Kindergeld einen Beitrag aus seinem Einkommen in Anwendung der Abs. 1 und 2 zu leisten hat. Damit ist ausschließlich das jeweilige Einkommen beider Elternteile für die Berechnung des zusätzlichen Kostenbeitrages, der neben dem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erhoben wird, maßgeblich. Verweigert ein Elternteil die Zahlung eines Kostenbeitrages, so kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 Abs. 2 EStG in Höhe des auf dieses Kind entfallenden Kindergeldes einen Erstattungsanspruch geltend machen. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Familienkasse oder die Einrichtung, die das Kindergeld gewährt. Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und des Verfahrens verweist § 74 Abs. 2 EStG auf §§ 102 bis 109 und §§ 111 bis 113 SGB X. Der Erstattungsanspruch ist vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach der Leistungserbringung geltend zu machen (§ 111 SGB X) und verjährt in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistung erbracht wurde bzw. die Nichtzahlung durch einen Elternteil feststeht (§ 113 SGB X). Bei Kindern und Jugendlichen, die gemäß § 1 Abs. 2 BKGG selbst kindergeldberechtigt sind, sollte – nach früherer Rechtslage – eine Berücksichtigung des Kindergeldes als zweckgleiche Leistung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 möglich sein (VG München, Urteil v. 16.1.2019, M 18 K 17.3303, Rz. 24). Nach anderer Ansicht sollte in diesen Fällen eine Zweckidentität nicht vorliegen und auch eine analoge Anwendung von Abs. 3 ausscheiden (VG Freiburg, Urteil v. 27.2.2019, 4 K 1861/18 Rz. 19; Jordan, Sozialrecht aktuell 2019 S. 213).
Rz. 7
Durch Art. 1 des KJSG v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurden mit Wirkung zum 10.6.2021 Ergänzungen in Abs. 3 Satz 3 und 4 hinsichtlich des Kostenbeitrags in Höhe des Kindergeldes vorgenommen. So wurde zur Klarstellung, dass ein Erstattungsanspruch auch möglich sein solle, wenn die Eltern das Kindergeld nach dem BKKG beziehen, die Regelung um Satz 3 ergänzt (BT-Drs. 19/26107 S. 113). Weiterhin wurde in Satz 4 ausdrücklich geregelt, dass auch junge Menschen, wenn sie das Kindergeld selbst beziehen, zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes herangezogen werden, sofern sie Leistungen über Tag und Nacht erhalten, und ein direkter Rückgriff des öffentlichen Trägers der freien Jugendhilfe auf das Kindergeld möglich ist (BT-Drs. 19/26107 S. 113). Durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe v. 21.12.2022 (BGBl. I S. 2824) wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 in Satz 5 eine Regelung zur Rangfolge für den Fall aufgenommen, dass der junge Mensch das Kindergeld bezieht. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es bei einem hohen Kostenbeitrag der Elternteile aus Einkommen dazu kommen kann, dass die tatsächlichen Aufwendungen gemeinsam mit dem Kindergeld erreicht und überschritten werden. Für den Fall soll mit der Neuregelung zur Rangfolge in Satz 5 klargestellt werden, dass dann der Kostenbeitrag aus Einkommen der Elternteile ggf. gekürzt wird, weil der Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes des jungen Menschen vorrangig erhoben wird (BT–Drs. 20/3439 S. 13).