0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 94 a. F. sah eine Sonderregelung für die Heranziehung der Eltern zu den Kosten der Jugendhilfe vor. Mit der Neufassung durch Art. 1 Nr. 49 KICK wurde das Verfahren der Heranziehung hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs, der Reihenfolge der verpflichteten Kostenbeitragsschuldner sowie der Höhe des zu leistenden Kostenbeitrags vereinfacht. Das frühere Recht (§§ 81 f. JWG) kannte keine eigenständige Regelung im Jugendhilferecht, sondern sah eine entsprechende Anwendung des Vierten Abschnitts des BSHG mit einzelnen Ausnahmen vor. In den Fällen, in denen die Eltern nicht mit dem Kind oder Jugendlichen zusammenlebten, verwies § 82 JWG auf §§ 90 f. BSHG. Da ein gesetzlicher Forderungsübergang im JWG nicht vorgesehen war, traten seinerzeit in der praktischen Umsetzung bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zum Teil erhebliche Unsicherheiten auf. Artikel 1 Nr. 40 des 1. SGB VIII-ÄndG v. 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) ersetzte die ab 1.4.1993 geltende Regelung in § 93 durch die Einfügung eines neuen § 94. Doch auch diese Regelung erwies sich in der Verwaltungspraxis als zu umständlich. Mit der Neufassung von § 94 wurde eine einheitliche Verfahrensweise festgelegt und mit der erstmals geschaffenen Möglichkeit, durch Rechtsverordnung nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge festzusetzen, wesentlich vereinfacht. Artikel 1 Nr. 20 KiföG v. 10.12.2008 (BGBl. I S. 2403) erweiterte den Kreis derjenigen Leistungsempfänger, bei denen deren Unterhaltsverpflichtete zu Kostenbeiträgen herangezogen werden können und erweiterte damit die Kostenbeitragspflicht. Mit der Streichung des bisherigen Satzes 2 in Abs. 5 wurde die Verpflichtung des Verordnungsgebers, die Sätze der Kostenbeitragsverordnung alle 2 Jahre an das durchschnittlich verfügbare Arbeitseinkommen anzupassen, aufgehoben. Mit Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz – KJVVG) v. 29.8.2013 (BGBl. I S. 3464) wurde mit Wirkung zum 3.12.2013 die Berücksichtigung des Kindergeldes bei der Kostenbeitragserhebung präzisiert (Abs. 3) und dem zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den Fällen der Gewährung vollstationärer Leistungen an junge Menschen erstmals die Möglichkeit eingeräumt, in besonderen Fallgestaltungen von einem Kostenbeitrag abzusehen (Abs. 6 Satz 2 n. F.). Durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder– und Jugendstärkungsgesetz– KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurden mit Wirkung zum 10.6.2021 Ergänzungen in Abs. 3 Satz 3 und 4 hinsichtlich des Kostenbeitrags in Höhe des Kindergeldes vorgenommen. Nachdem weiterhin durch das KJSG in Abs. 6 a. F. bereits eine Einschränkung der Kosten Heranziehung von jungen Menschen vorgenommen worden war, ist Abs. 6 durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe v. 21.12.2022 (BGBl. I S. 2824) mit Wirkung zum 1.1.2023 vollständig entfallen.
1 Allgemeines
Rz. 2
In Abs. 1 werden die Grundsätze für die Heranziehung zu Kostenbeiträgen festgelegt. Die Angemessenheit wird in Abs. 2 hinsichtlich bestehender Unterhaltspflichten und in Abs. 4 hinsichtlich bestimmter Betreuungsleistungen konkretisiert, um unzumutbare Doppelbelastungen auszuschließen. Abs. 3 bestimmt, dass bei Leistungen über Tag und Nacht, die außerhalb des Elternhauses erbracht werden, neben dem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes von beiden Elternteilen ein Kostenbeitrag aus ihrem jeweiligen Einkommen zu leisten ist. Die bisherige Regelung privilegierte denjenigen Elternteil, der Kindergeld bezog, weil er aus seinem Einkommen nur den Differenzbetrag zwischen Kindergeld und Kostenbeitrag zu entrichten hatte. Dieser Kostenbeitragsanspruch kann im Falle der Nichtzahlung durch die Eltern durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe durchgesetzt werden. Abs. 5 schafft die Rechtsverordnungsermächtigung für die Festsetzung von einkommensgestaffelten Pauschalbeiträgen.
2 Rechtspraxis
2.1 Grundsätze der Heranziehung, Reihenfolge der Kostenbeitragspflichtigen
Rz. 3
Nach Abs. 1 sind die Kostenbeitragspflichtigen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die Höhe der Kostenbeiträge ist begrenzt durch die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, dieser allgemeine Grundsatz ist dem Beitragsrecht entnommen.
Rz. 4
Die bisher in den Sätzen 3 und 4 a. F. festgelegte Rangfolge der Kostenbeitragspflichtigen ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe v. 21.12.2022 (BGBl. I S. 2824) mit Wirkung zum 1.1.2023 entfallen. Da nur noch Elternteile aus ihrem Einkommen zu den Kosten herangezogen werden (vgl. § 92 Abs. 1), ist die bisher in den Sätzen 3 und 4 vorgesehene Regelung zum Vorrang und Nachrang überflüssig geworden. Nach der Gesetzesbegründung könne davon ausgegangen werden, dass der Wegfall d...