0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Im Unterschied zum BSHG enthielt das JWG keine Bestimmungen über die Auskunftspflicht bei der Heranziehung zu den Kosten. Der mit Wirkung v. 1.4.1993 (BGBl. I S. 239) eingefügte § 97a entspricht in seiner Funktion – und teilweise auch seinem Wortlaut – dem alten § 116 BSGH (d. h. dem jetzigen § 117 SGB XII), ist aber an wichtigen Stellen auch enger als diese Vorschrift. Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (BR-Drs. 44/05) hat in Abs. 1 und 3 zu Folgeänderungen durch die Neufassung der §§ 91 ff. geführt. Der alte Abs. 2 ist als Folge der Streichung des § 96 weggefallen und durch eine flankierende Auskunftspflicht von Pflegeeltern zur Berechnung der laufenden Leistung nach § 39 Abs. 6 ersetzt worden.
1 Rechtspraxis
1.1 Zweck der Regelung
Rz. 2
Zweck der Regelung ist es, dem Träger der Jugendhilfe die nötigen Informationen zu verschaffen, um entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang Kostenbeiträge i. S. d. § 90, §§ 92 bis 94 erhoben werden können bzw. in welcher Höhe die Leistung nach § 39 Abs. 6 zu berechnen ist. Die Auskunftspflicht korrespondiert mit der Bestimmung des § 10 Abs. 2 und knüpft damit an die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht an. Nach Wegfall des alten § 94 Abs. 3 Satz 2 geht der zivilrechtliche Auskunftsanspruch nach § 1606 BGB nicht mehr auf den öffentlichen Träger der Jugendhilfe über, so dass § 97a die einzige Rechtsgrundlage für ein Auskunftsersuchen darstellt.
1.2 Erforderlichkeit der Auskunft
Rz. 3
Aus dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83) folgt, dass Auskünfte nur verlangt werden dürfen, soweit dies zur Erfüllung der in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Aufgaben erforderlich ist (Umfangbegrenzung) und dass sie auch nur für diese Zwecke verwandt werden dürfen (Zweckbindung). Das führt insofern zu einer ersten praktischen Einschränkung des Wortlauts der Bestimmung, als das Vermögen für die Feststellung der Kostenbeteiligung nach der Neufassung der §§ 92 bis 94 grundsätzlich keine Rolle mehr spielt und auch das Einkommen zeitlich erst ab dem Augenblick der Mitteilung nach § 92 Abs. 3 berücksichtigt werden darf. Auch eine zeitliche Beschränkung der Auskunftspflicht kennt das Jugendhilferecht grundsätzlich nicht (VG Schleswig-Holstein, Urteil v. 30.8.2006, 15 A 135/06). Fragen nach dem Vermögen insgesamt und nach dem Einkommen vor dem relevanten Zeitpunkt des § 92 Abs. 3 sind von § 97a daher nicht gedeckt. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens setzt im Übrigen allerdings nicht voraus, dass eine Kostenbeteiligungspflicht bzw. ein Unterhaltsanspruch des Leistungsberechtigten tatsächlich besteht. Es genügt, dass eine grundsätzlich kostenbeitragspflichtige Maßnahme vorliegt und der in die Auskunftspflicht Genommene grundsätzlich beitragspflichtig ist (VG Göttingen, Urteil v. 10.7.2007, 2 A 25/06). Auch ein Verbot, vor Ablauf von 2 Jahren erneuert Auskunft über Einkommen und Vermögen zu erteilen, kennt das Jugendhilferecht grundsätzlich nicht (VG Schleswig-Holstein, Urteil v. 30.8.2006, 15 A 135/06). Nur wenn von vornherein feststeht, dass eine Kostenbeteiligung in jedem Fall ausscheidet bzw. ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht gegeben ist, ist das Auskunftsverlangen selbst rechtswidrig (sog. Negativevidenz, vgl. BVerwG, Urteil v. 21.1.1993, 5 C 22/90). Die zur Auskunft genutzten Vordrucke müssen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, d. h. mindestens eine Trennung zwischen Pflichtauskünften nach § 97a sowie weiteren freiwilligen Auskünften enthalten (Gemeinsame Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zu den §§ 90 ff., Ziff. 22).
1.3 Auskunftspflichtige nach Abs. 1
Rz. 4
Nur die in Abs. 1 genannten Personen sind nach dem Wortlaut des Abs. 1 gegenüber dem Jugendhilfeträger zur Auskunft verpflichtet. Eine bloß sittliche Unterhaltspflicht (z. B. zwischen Geschwistern) genügt ebenso wenig wie gesetzliche Unterhaltspflichten von nicht in den Kreis nach Abs. 1 einbezogenen Angehörigen (z. B. der Großeltern gemäß § 1601 BGB oder des nichtehelichen Vaters gemäß § 1615l BGB). Damit hat das Gesetz eine rechtlich für und gegen jedermann gleich wirkende und daher nicht zu beanstandende Privilegierung dieser Personen vorgenommen. Verfassungsrechtlich problematisch ist dagegen, dass die nichtehelichen Lebenspartner (anders als in § 20, § 117 SGB XII) weder in den Kreis der Kosten- noch der Auskunftsverpflichteten einbezogen sind. Das führt faktisch zu einer Schlechterstellung der Ehe junger Leistungsberechtigter, die – anders als die Behandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften – am Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG gemessen werden muss und daher mangels rechtfertigenden sachlichen Grundes verfassungswidrig ist. Denn angesichts des Umstandes, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine seltene Ausnahmeerscheinung mehr ist und durch die Rechtsprechung mittlerweile feste Konturen erfahren hat (BVerfG, Urteil v. 17.11.1992, 1 BvL 8/87), ist ihre Nichtberücksichtigung auch angesichts der gesetzgeberischen Befugnis zur Pauschalierung im sozialen Leistungs...