Rz. 19
Absatz 1 lässt den Kostenersatzanspruch kraft Gesetzes (vgl. Komm. vor §§ 102 bis 105) im Zeitpunkt des Erbfalles entstehen. Verpflichtet ist der Erbe. Diese Regelung wäre an sich ausreichend, um den Ersatzanspruch durchzusetzen. Es wäre aber unbillig und entspräche nicht dem Zweck der Erbenhaftung, den Erben unabhängig vom Nachlass mit seinem gesamten Vermögen haften zu lassen. Daher bestimmt Abs. 2, dass die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört und er nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses haftet (vgl. auch Rz. 42). Der Wert des Nachlasses bemisst sich nach dem Aktivvermögen des Erblassers unter Abzug der Passiva, § 2311 BGB.
Rz. 20
Diese Bestimmung ist nicht lediglich deklaratorischer, sondern konstitutiver Natur. Absatz 2 beschränkt die Haftung des Erben auf den Nachlass, was ohne diese Bestimmung nicht der Fall wäre. Daher ist ein haftungserweiternder Rückgriff auf den Erben (§ 1978 BGB) ausgeschlossen (BVerwG, Urteil v. 25.6.1992, 5 C 19/89, NDV 1993 S. 129). Umgekehrt kann der Erbe aber auch keine "Entreicherung" geltend machen, vielmehr haftet er mit dem im Zeitpunkt des Erbfalles vorhanden gewesenen Nachlass (vgl. Rz. 25 und 42 m. w. N.).
Rz. 21
Auch als Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) geht der Kostenersatzanspruch den Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen und testamentarischen Auflagen vor (Mergler/Zink, a. a. O., § 92c Rz. 23 unter Hinweis auf Palandt, 65. Aufl. 2006, § 1967 Rz. 14). Unter dem Wert des Nachlasses ist das dem Erben angefallene Aktivvermögen des Erblassers unter Abzug der Nachlassverbindlichkeiten zu verstehen (OVG Koblenz, Urteil v. 5.4.2001, NJW 2002 S. 3045 = FEVS 52 S. 573; VGH München, Urteil v. 15.7.2003, 12 B 17/00, FEVS 55 S. 166). Daher sind die Bestattungskosten gemäß § 1968 BGB (OVG Lüneburg, FEVS 31 S. 197; OVG Mannheim, FEVS 52 S. 573; Loos 2004 S. 69) und die Kosten der Nachlasspflegschaft (BayVGH, Urteil v. 15.7.2003, 12 B 99.1700), nicht aber die Kosten der Grabpflege (Bieback, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 102 Rz. 38 m. w. N.) abzuziehen.
Rz. 22
Auch der Vorerbe hat den geforderten Kostenersatz aus dem Wert des Nachlasses zu leisten, dabei ist nicht nur der Wert zugrunde zu legen, der sich aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Nachlasses ergibt (BVerwG, Urteil v. 10.7.2003, 5 C 17/02, DÖV 2004 S. 206, 208). Im Falle des nicht befreiten Vorerben hat der Nacherbe seine Einwilligung zur Befriedigung des Kostenersatzanspruches zu erteilen (BVerwG, Urteil v. 23.9.1982, 5 C 109/81, NDV 1983 S. 215; Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 102 Rz. 16).
Rz. 23
Der Erbe kann gegen den Kostenersatzanspruch nicht geltend machen, dass dem Erblasser erst kurz vor dem Erbfall Vermögen zugefallen ist, für die längere Zeit des Sozialhilfebezuges also gar kein Schonvermögen vorhanden war (Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 102 Rz. 8, unter Hinweis auf OVG Münster, Urteil v. 20.2.2001, 22 A 2695/99, ZFSH/SGB 2001 S. 661; zweifelnd: Doering-Striening 2009 S. 97; vgl. auch Rz. 16).
Rz. 24
Da der Erbe nur aus dem Nachlass haftet, kommt es auf seine eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht an (H. Schellhorn, a. a. O., § 102 Rz. 16).
Rz. 25
Wird der Kostenersatzanspruch vom Sozialhilfeträger in zeitlichem Abstand zum Erbfall geltend gemacht und hat der Erbe in der Zwischenzeit nachlassmindernde Verfügungen getroffen, so ist dies unschädlich. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses, mag der Nachlass auch im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs vermindert oder möglicherweise gar nicht mehr vorhanden sein (Bieback, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 102 Rz. 37; Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 102 Rz. 16, anders noch: BVerwG, Urteil v. 25.6.1992, 5 C 19/89, FEVS 44 S. 1); vgl. Rz. 20 und Rz. 42 m. w. N.
Rz. 26
Mehrere Erben als Mitglieder einer Erbengemeinschaft haften als Gesamtschuldner für die gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit (§ 2058 BGB).
Rz. 27
Es ist somit jeder Erbe verpflichtet, den Kostenersatzanspruch zu erfüllen (§ 421 BGB); im Innenverhältnis hat der in Anspruch genommene Erbe entsprechende Ausgleichsansprüche gegen die Miterben (§ 426 BGB). Eine volle Inanspruchnahme eines beliebigen gesamtschuldnerisch haftenden Erben kann aber an den Anspruchsbeschränkungen in Abs. 3 scheitern, die sich nicht auf den Nachlass als Ganzes, sondern nur auf jeden einzelnen Erben beziehen (Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 102 Rz. 17, unter Hinweis auf HessVGH, Urteil v. 26.11.1998, 1 UE 1276/95, FamRZ 1999 S. 1023; vgl. Rz. 44).