0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 92a Abs. 4 BSHG. Sie trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Im Rahmen des § 104 Satz 1 geht es – im Gegensatz zu § 103 Abs. 1 Satz 1 – um rechtswidrig erbrachte Sozialhilfeleistungen ("zu Unrecht"). Zwar bietet dafür das SGB X eine Handhabe in § 50, jedoch nur in Bezug auf den Leistungsempfänger (Loos 2004 S. 85; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 104 Rz. 3 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 25.6.1992, 5 C 67/88, FEVS 43 S. 321). Die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen konnte vor Einführung des § 92a BSHG (jetzt: § 104 SGB XII) weder vom Ehegatten noch von den Eltern verlangt werden, insofern bestand eine Regelungslücke (BVerwG, Urteil v. 24.11.2005, 5 C 16/04, FEVS 57 S. 495 = NDV-RD 2006 S. 78, unter Hinweis auf die gesetzgeberische Motivation, BT-Drs. 12/5930 S. 4) Dagegen ist nunmehr zum Kostenersatz nach § 104 unabhängig vom eigenen Leistungsbezug jeder verpflichtet, der die unrechtmäßige Leistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Die allgemeinen Regelungen des SGB X bleiben daneben anwendbar (argumentum e contrario Satz 2). Insofern handelt es sich um einen über § 50 SGB X hinausgehenden Sonderfall der Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialhilfe (Wolf, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 104 Rz. 4).

 

Rz. 3

Unklar ist das Verhältnis von § 104 zu § 103 Abs. 1 Satz 2, wonach zum Kostenersatz verpflichtet ist, wer als leistungsberechtigte Person (oder als deren Vertreter) die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (vgl. dazu Komm. zu § 103). Denn wer rechtswidrige Leistungen (Voraussetzung sowohl bei § 103 Abs. 1 Satz 2 als auch bei § 104 Satz 1) schuldhaft herbeigeführt hat (Voraussetzung nur bei § 104 Satz 1), kannte notwendigerweise die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrundeliegenden Verwaltungsaktes (Voraussetzung bei § 103 Abs. 1 Satz 2). Daher ist nach dem Wortlaut beider Vorschriften der Adressat von § 104 Satz 1 immer zugleich auch Adressat von § 103 Abs. 1 Satz 2. Daher kann es sich bei beiden Vorschriften je nach Fallgestaltung um ein und denselben Personenkreis handeln (so auch: Steimer, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 104 Rz. 2). Der Sozialhilfeträger hat in diesen Fällen Auswahlermessen zwischen beiden Vorschriften.

2 Rechtspraxis

2.1 Tatbestandsvoraussetzungen (Abs. 1 Satz 1)

2.1.1 Rechtswidrige Sozialhilfeleistung

 

Rz. 4

Sozialhilfe muss geleistet worden sein, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben. Die Sozialhilfe ist also ohne Rechtsgrund geleistet worden (Conradis, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 104 Rz. 4). In diesen Fällen greift § 50 SGB X, allerdings nur in Bezug auf den Leistungsempfänger selbst, nicht im Hinblick auf Dritte wie etwa Ehegatten oder Eltern minderjähriger Kinder (Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 104 Rz. 1). Demgegenüber erweitert § 104 die Haftung auf Dritte (Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 104 Rz. 4), und zwar auf beliebige Dritte (vgl. Rz. 5).

2.1.2 Ersatzleistungspflichtiger

 

Rz. 5

Jeder, der die rechtswidrige Sozialhilfeleistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat, unterliegt der Ersatzpflicht. Die Regelungen des § 103 sind zwar entsprechend anzuwenden, im Rahmen der rechtswidrigen Sozialhilfeleistung wird allerdings der Personenkreis nicht in den Verweis mit aufgenommen, was sich aus dem Wortlaut von § 104 Satz 1 ergibt, wo jedermann ("wer") bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ersatzpflichtig ist (Steimer, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 104 Rz. 7; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 104 Rz. 5). Daher haftet auch etwa der Vormund, der Sorgerechtsinhaber oder der Betreuer des Leistungsempfängers, allerdings nicht der Einrichtungsträger (OVG Frankfurt/Oder, Urteil v. 27.1.2000, 4 A 111/97, FEVS 51 S. 555; a. A. Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 104 Rz. 4, unter Hinweis auf VG Lüneburg, Urteil v. 17.6.2004, 6 A 120/03). Auch der Leistungsempfänger selbst kann nach § 104 ersatzpflichtig sein (Bieback, a. a. O.; a.A. Conradis, a. a. O., § 104 Rz. 6, der auf den hier fehlenden Hinweis auf §§ 44ff. SGB X aufmerksam macht).

2.1.3 Aufhebung des Verwaltungsaktes erforderlich (§ 50 SGB X)

 

Rz. 6

Der Kostenersatzanspruch kann nur geltend gemacht werden, wenn der der Sozialhilfeleistung zugrunde liegende rechtswidrige Verwaltungsakt aufgehoben ist (BVerwG, Urteil v. 20.11.1997, 5 C 16/97, NDV-RD 1998 S. 33; Steimer, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 104 Rz. 5; Conradis, a. a. O., § 104 Rz. 2; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 104 Rz. 4). Nach altem Recht folgte dies aus einem entsprechenden Klammerzusatz in § 92a Abs. 4 Satz 1, der auf § 50 SGB X hinwies. Diese Klammerverweisung war allerdings lediglich deklaratorischer Natur, so dass durch deren Wegfall keine Rechtsänderung eingetreten ist (Conradis, a. a. O., § 104 Rz. 4; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 104 Rz. 4; Wolf, in: Fichtner/Wenzel, a. a....

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