2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Grundfall (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 3
Der Kostenerstattungsanspruch setzt nach Abs. 1 Satz 1 voraus, dass
- der Leistungsberechtigte aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist,
- er weder im Ausland noch in der Bundesrepublik Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt besitzt und
- innerhalb eines Monats nach seinem Übertritt Leistungen der Sozialhilfe einsetzen.
Die Einreise-Voraussetzung ist bei jedem Grenzübertritt aus dem Ausland erfüllt.
Die Frage, ob der Leistungsberechtigte zu diesem Zeitpunkt einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zu beurteilen. Danach hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Regelung ist im Lichte von § 108 nach Sinn und Zweck der Kostenerstattung sowie deren Regelungszusammenhang auszulegen (BVerwG, Urteil v. 31.8.1995, 5 C 11.94; Urteil v. 18.3.1999, 5 C 11.98). Keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat beispielsweise ein einreisender Nichtsesshafter, der sich vorher nicht für längere Zeit an einem Ort aufgehalten hat, ferner derjenige, der mit dem Ziel des dauerhaften Verbleibens in der Bundesrepublik einreist und deswegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland aufgegeben hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.4.2007, L 20 SO 52/06). Kann demgegenüber für den Zeitpunkt der Einreise entweder im Inland oder im Ausland ein gewöhnlicher Aufenthalt festgestellt werden, entfällt der Kostenerstattungsanspruch des leistenden örtlichen Sozialhilfeträgers; denn dann unterscheidet sich dieser Leistungsfall nicht vom Regelfall und es besteht kein Grund, den örtlichen Sozialhilfeträger nach § 108 von der Kostenlast zu entbinden; in diesen Fällen greifen allenfalls die Erstattungsvorschriften in §§ 106, 107 SGB XII und §§ 102 f. SGB X.
Rz. 4
Die Kostenerstattung setzt voraus, dass binnen eines Monats nach der Einreise Leistungen der Sozialhilfe einsetzen. Die Sozialhilfe setzt nach § 18 ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Entscheidend ist mithin, dass der Sozialhilfeträger innerhalb der Monatsfrist Kenntnis davon erlangt, dass einem Einreisenden Anspruch auf Sozialhilfe zusteht (und nicht nur ein objektiver Hilfebedarf besteht). Der Bewilligungszeitpunkt oder der Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungsgewährung ist demnach unerheblich (BSG, Urteil v. 24.3.2009, B 8/9b SO 17/07 R: das belegten auch § 111 Abs. 1 BSHG, § 110 Abs. 1 SGB XII, nach denen nur rechtmäßige Sozialhilfeleistungen einen Erstattungsanspruch auslösen). Unerheblich ist es auch, gegenüber welchem Sozialhilfeträger der Leistungsanspruch binnen der Monatsfrist entstanden ist. Dies muss nicht etwa der erstattungsbegehrende Sozialhilfeträger gewesen sein und kann mithin auch ein anderer Sozialhilfeträger sein, der dem Leistungsberechtigten später Leistungen bewilligt.
Überörtliche Sozialhilfeträger sind nicht von der Erstattungsberechtigung ausgeschlossen, d. h. die Regelung ist nicht auf örtliche Sozialhilfeträger beschränkt. Der Erstattungsanspruch steht jedem Träger, auch dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende nach seinem Übertritt aus dem Ausland aufhält, wenn und solange entsprechend des aufgezeigten Schutzzwecks der Norm der Bezug zum Zuzugsort und der zeitliche Zusammenhang gewahrt bleiben (BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 2/11 R, Rz. 14). Die Pflicht zur Kostenerstattung endet auch nicht bei einem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit vom örtlichen zum überörtlichen Träger der Sozialhilfe wegen der Erbringung stationärer Maßnahmen (BSG, a. a. O., Rz. 15).
Abs. 4 sieht einen Wegfall der Erstattungspflicht zunächst nur für den Fall vor, dass dem Hilfeempfänger für einen zusammenhängenden Zeitraum von 3 Monaten Sozialhilfe nicht zu gewähren war. Dies könnte eine abschließende Regelung des Fortfalls der Erstattungspflicht nahelegen. Allerdings ist die Vorschrift dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Erstattungsanspruch gegen den überörtlichen Träger der Sozialhilfe entfällt, wenn der Hilfebedürftige umzieht und den Zuständigkeitsbereich des zunächst erstattungsberechtigten Trägers der Sozialhilfe und damit den ersten Anlaufort nach dem Grenzübertritt verlässt (Hess. LSG, Urteil v. 26.8.2011, L 7 SO 81/09, Rz. 22 f.; BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 2/11 R, Rz. 15 a. E.). Diese einschränkende Auslegung gebietet die Überlegung, dass bei einem Umzug nach Ablauf der Monatsfrist in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers ein Bezug zum Einreiseort fehlt. Durch die vorgesehene Monatsfrist hat der Gesetzgeber eine ausreichende Zeitspanne festgelegt, innerhalb derer die Hilfebedürftigen i. d. R. einen dauerhaften Aufenthalt begründen (Hess. LSG, Urteil v. 26.8.2011, a. a. O., Rz. 23).
Leistungen der Sozialhilfe sind nach § 8 alle in §§ 27 bis 74 aufgeführten Leistungen, auch die stationäre Leistung in Form der Unterbringung in einer Einrichtung. ...