2.4.1 Bestimmung des Erstattungspflichtigen
Rz. 10
Der ersatzpflichtige überörtliche Sozialhilfeträger ist von einer sog. Schiedsstelle zu bestimmen. Schiedsstelle ist nach Abs. 2 Satz 1 das Bundesverwaltungsamt, wenn nicht die Länder nach Abs. 2 Satz 2 durch Verwaltungsvereinbarung eine andere Schiedsstelle bestimmt haben, was zurzeit nicht der Fall ist.
Das Programm für die Schiedsstelle zur Bestimmung des erstattungspflichtigen überörtlichen Sozialhilfeträgers enthält Abs. 1 Satz 2. Die durch § 108 angestrebte bundesgerechte Lastenverteilung ist zu erreichen, indem die Schiedsstelle bei ihrer Ermessensentscheidung die Einwohnerzahl zu berücksichtigen hat, da größere Kommunen i. d. R. stärker belastet werden. Zudem sind die Belastungen zu beachten, die sich im vorangegangenen Haushaltsjahr für die Sozialhilfeträger durch die Kostenverteilung nach § 108 ergeben haben, unter weiterer Berücksichtigung der "Altfälle", also der Fälle, bei denen eine Kostenerstattungspflicht nach der vor dem 1.1.1994 geltenden Fassung des § 108 BSHG besteht. Schließlich ist die Kostenbelastung durch Sozialhilfegewährung für Deutsche im Ausland nach § 24 zu würdigen.
Die Schiedsstelle regelt die Verpflichtung zur Kostenerstattung dabei nicht verbindlich, sondern bestimmt bei bestehender Kostenerstattungspflicht den erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger (BSG, Urteil v. 14.4.2011, B 8 SO 23/09 R, Rz. 17). Bei der von der Schiedsstelle getroffenen Bestimmung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, weil sie eine Regelung gegenüber dem erstattungspflichtigen überörtlichen Träger enthält (VGH Bayern, Beschluss v. 1.10.1992, 12 CZ 91.3802). Der überörtliche Sozialhilfeträger kann daher Widerspruch und bei Erfolglosigkeit Anfechtungsklage vor den Sozialgerichten erheben, sofern nicht über die Öffnungsklausel aus § 50a Satz 1 Nr. 1 SGG, zuletzt geändert durch 7. SGGÄndG v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3302), die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Andernfalls wird die Entscheidung der Schiedsstelle bestandskräftig. Das verwehrt es den Gerichten in Erstattungsstreitigkeiten nach § 108 aber nicht, alle Erstattungsvoraussetzungen zu prüfen, auch, wer zuständiger Träger ist; denn die Schiedsstelle führt nur eine Schlüssigkeitsprüfung aufgrund der vorgelegten Unterlagen und keine umfassenden sozialhilferechtliche Prüfung durch (BSG, Urteil v. 24.3.2009, a. a. O.).
Schließlich enthält Abs. 1 Satz 4 eine Sonderbestimmung für den Fall, dass Ehegatten, Lebenspartner (i. S. d. LPartG), Verwandte oder Verschwägerte zusammenleben; dann ist ein gemeinsamer überörtlicher Sozialhilfeträger zu bestimmen.
2.4.2 Durchsetzung des Erstattungsanspruchs
Rz. 11
Erstattungsberechtigt ist derjenige Sozialhilfeträger, der für die erfolgte Leistungsgewährung nach § 98 zuständig war. Er hat den Erstattungsanspruch zunächst gegenüber dem nach § 108 Abs. 1 Satz 2 bzw. 4 bestimmten überörtlichen Sozialhilfeträger geltend zu machen. Ist ein Ersatzpflichtiger noch nicht bestimmt, so ist der Erstattungsanspruch gegenüber der Schiedsstelle anzumelden. In beiden Fällen müssen zumindest die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Leistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden (BSG, Urteil v. 28.11.1990, 5 RJ 50/89; Urteil v. 25.4.1989, 4/11a RK 4/87). Dies muss innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Tages, für den die Leistung erbracht wurde, erfolgen (§ 111 SGB X). Dabei beginnt diese Ausschlussfrist frühestens mit der objektiven Anspruchsentstehung und nicht etwa – wie § 111 SGB X n. F. bestimmt – mit der Kenntniserlangung des Erstattungsberechtigten von der Entscheidung des Erstattungspflichtigen über seine Leistungspflicht. Denn eine solche Entscheidung gibt es bei § 108 – ebenso wie bei §§ 106, 107 – nicht (vgl. auch OVG Niedersachsen, Urteil v. 23.1.2003, 12 LC 527/02; a. A. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 15.1.2004, 12 A 11823/03.OVG). Dafür, dass dieser Zeitpunkt entscheidend ist, spricht maßgeblich auch die Auffassung des Gesetzgebers zur Verjährung. Auch hier bestand nach der Änderung des § 113 SGB X dasselbe – unbeabsichtigte – Problem, mit der Konsequenz, dass der Gesetzgeber für die Erstattungsansprüche nach §§ 106 bis 108 eine eigene Verjährungsregelung in § 111 vorgesehen hat, wonach die Verjährung mit der objektiven Anspruchsentstehung beginnt. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, was er für richtig hält. Er hat es offensichtlich versäumt, die Ausschlussfrist einer entsprechenden Neuregelung zuzuführen.
Lehnt der überörtliche Sozialhilfeträger die Kostenerstattung ab, so kann der erstattungsbegehrende Sozialhilfeträger den Gerichtsweg beschreiten und Leistungsklage vor den Sozial- bzw. Verwaltungsgerichten (Öffnungsklausel nach § 50a Satz 1 Nr. 2 SGG) erheben. Hierbei handelt es sich um eine bezifferte Zahlungsklage.