Rz. 6
Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten nach Abs. 1 Satz 1 keine Sozialhilfe. Der Gesetzgeber erwartet bei Eintritt von Bedürftigkeit im Ausland grundsätzlich die Rückkehr nach Deutschland, die nur in den von Abs. 1 aufgeführten 3 Fällen als unzumutbar angesehen wird (BT-Drs. 15/1761 S. 6).
2.1.1 Personenkreis
Rz. 7
Der Hilfesuchende muss Deutscher sein. Das richtet sich nach Art. 116 Abs. 1 GG, der insoweit auch für die Auslegung von § 24 Abs. 1 Satz 1 maßgeblich ist (a. A. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 2011, § 24 Rz. 16, der nur deutsche Staatsangehörige als umfasst ansieht) und lautet:
Zitat
Deutscher i. S. d. Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat.
Rz. 8
Wie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben wird, beurteilt sich im Einzelnen nach §§ 4 ff. StAG. Zum Nachweis der Staatsangehörigkeit genügt grundsätzlich die Vorlage eines gültigen Reisepasses oder Personalausweises; nur in Zweifelsfällen ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises (§ 30 Abs. 3 Satz 1 StAG) oder eine Bescheinigung über die Rechtsstellung als Deutscher erforderlich (Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 24 Rz. 10 mit Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.2.2006, L 20 B 50/05 SO ER). Auf Doppelstaatler findet § 24 Anwendung, soweit sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit haben (Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 24 Rz. 5; Schlette in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 24 Rz. 16 m. w. N.).
Rz. 9
Wer nicht Deutscher i. S. v. Art. 116 Abs. 1 GG ist, ist Ausländer und kann daher Sozialhilfe nur nach Maßgabe des § 23 verlangen (vgl. die Komm. dort). Das gilt für Staatenlose ebenso wie für Bürger der Europäischen Union. Die frühere Regelung des § 119 Abs. 2 BSHG, wonach auch Familienangehörigen von Deutschen, die mit diesen in Haushaltsgemeinschaft lebten, aus Billigkeitsgründen Sozialhilfe gewährt werden konnte, ist nicht aufrechterhalten worden (vgl. dazu auch: Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, § 24 Rz. 17).
2.1.2 Gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland
Rz. 10
Darüber hinaus muss der Hilfesuchende seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird an und für sich für das gesamte Sozialrecht und damit auch für das Sozialhilferecht (vgl. § 9 SGB I) in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I definiert. Danach hat den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, "wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 30 SGB I). Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hielt § 30 SGB I indessen nicht für anwendbar. Der zu den Strukturprinzipien der Sozialhilfe zählende Grundsatz, dass ein Anspruch auf Sozialhilfe einen tatsächlichen Aufenthalt im Inland voraussetze und ein Anspruch auf Sozialhilfe im Ausland nur dann bestehe, wenn dort ein gewöhnlicher Aufenthalt an einem bestimmten Ort begründet worden sei, gehe § 30 SGB I nach § 37 SGB I als Spezialnorm vor (OVG Hamburg, Urteil v. 4.7.1991, Bf IV 45/90, DÖV 1993 S. 39; BVerwG, Urteil v. 31.8.1995, 5 C 11/94, BVerwGE 99 S. 158). Einer so komplexen Konstruktion bedarf es indessen nicht. Dass die Gewährung von Sozialhilfe im Inland einen dortigen gewöhnlichen Aufenthalt voraussetzt, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit zumindest aus § 98. Dementsprechend kann auch Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nur dann gewährt werden, wenn dort ein gewöhnlicher Aufenthalt (i. S. v. § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I) besteht. Fehlt es an einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland wie im Inland, ist Sozialhilfe nicht zu gewähren. Mangels Regelungslücke ist § 24 – zumindest nach seiner Neufassung – daher auch nicht analog auf diejenigen (seltenen) Fälle anwendbar, in denen der Hilfesuchende seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland bereits aufgegeben, einen solchen im Ausland aber noch nicht begründet hat (a. A. BVerwG, Urteil v. 31.8.1995, a. a. O., für § 119 Abs. 1 BSHG). Ist der Aufenthalt im Ausland – wie z. B. bei nichtsesshaften Personen – von einem ständigen Wechsel des Aufenthaltsortes geprägt, liegt kein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland i. S. d. § 24 vor. In allen diesen Fällen kommt ggf. nur Hilfe nach § 5 Konsulargesetz (KonsG) v. 11.9.1974 (BGBl. I S. 2317), zuletzt geändert durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S 3022) in Betracht (vgl. dazu Rz. 29).
Rz. 11
Ein rein tatsächlicher Aufenthalt im Ausland, z. B. wegen eines Ferienaufenthaltes, begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I. Das gilt auch dann, wenn der Aufenthalt mehrere Monate dauert, solange er mit dem festen Willen zur Rückkehr verbunden ist (z. B. Überwinterung auf den Kanarischen Inseln; vgl. OVG Hamburg, Ur...