Rz. 11
Abs. 1 Nr. 1 hat 3 Voraussetzungen. Der Leistungsberechtigte muss
- das 18. Lebensjahr vollendet haben,
- sein Einkommen oder Vermögen vermindert haben,
- dabei in der Absicht gehandelt haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe herbeizuführen.
Rz. 12
Die Notwendigkeit, dass der Leistungsberechtigte das 18. Lebensjahr vollendet haben muss, bedeutet, dass der Leistungsberechtigte für sein Handeln in vollem Umfang verantwortlich sein muss. Eine Einschränkung der Hilfe zum Lebensunterhalt bei Minderjährigen scheidet daher aus. Abzustellen ist dabei auf das Alter zu dem Zeitpunkt, in dem die Vermögensminderung vorgenommen wird. Über den Wortlaut hinaus kann Abs. 1 auch nicht auf Geschäftsunfähige i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB, d. h. solche Leistungsberechtigten, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern dieser Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist, angewandt werden. Einer Prüfung der Absicht, das Einkommen oder Vermögen zu mindern, bedarf es in solchen Fällen nicht mehr. Gleiches gilt für Leistungsberechtigte, bei denen hinsichtlich des Aufgabenkreises Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt i. S. v. § 1903 BGB angeordnet worden ist (Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 26 Rz. 5; Holzhey, a. a. O., § 26 Rz. 12).
Rz. 13
Hinsichtlich der Minderung von Einkommen oder Vermögen stellt das Gesetz auf die entsprechenden Begriffe i. S. d. Kap. 11, also in §§ 82, 90, ab. Nur die Minderung des dort erfassten und zur Vermeidung der Sozialhilfe einsetzbaren Einkommens oder Vermögens wird vom Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 erfasst. Keine Rolle spielt allerdings, ob die Vermögens- bzw. Einkommensminderung erst zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, zu der der Leistungsberechtigte schon sozialhilfebedürftig ist, oder bereits im Vorfeld (Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 10).
Rz. 14
Abs. 1 Nr. 1 erfasst zudem nur Handlungen des Leistungsempfängers selbst. Handlungen anderer, selbst wenn sie der Bedarfsgemeinschaft angehören, können nur zum Kostenersatz nach §§ 103, 104 führen (Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, Kommentar, 18. Aufl. 2011, § 26 Rz. 9). Dies folgt schon aus dem gegenüber Abs. 2 enger gefassten Wortlaut des Abs. 1: Der Vertreter wird hier nicht genannt. Nicht von Abs. 1 Satz 1 erfasst wird außerdem das bloße Unterlassen der Erzielung von Einkommen oder Vermögen (Holzhey, a. a. O., § 26 Rz. 13).
Rz. 15
Die Einschränkung der Hilfe zum Lebensunterhalt erfordert schließlich, dass der Leistungsberechtigte die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe absichtlich, d. h. mit zumindest direktem Vorsatz herbeigeführt hat (vgl. BSG, Urteil v. 18.3.2008, B 8/9b SO 9/06 R; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10.10.2007, L 23 B 146/07 SO ER; Schlette, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 26 Rz. 14). Absicht in dem Sinne, dass es dem Leistungsberechtigten auf die Herbeiführung oder Erhöhung der Hilfebedürftigkeit angekommen sein muss, ist nicht erforderlich. Andererseits genügen weder bedingter Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit (OVG Hamburg, Urteil v. 14.9.1990, Bf IV 26/89, FEVS 41 S. 288). Insofern ist Abs. 1 Nr. 1 anders auszulegen als das Verschulden i. S. v. §§ 103, 104, das dementsprechend auch nur zur möglichen Folge des Abs. 2 führt.
Rz. 16
Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Leistungsempfänger die Folge seines Tuns, also den Eintritt der Hilfebedürftigkeit, als sicher voraussieht. Dafür spricht indiziell, wenn der Hilfesuchende sein Vermögen mindert, nachdem der Sozialhilfeträger seinen Leistungsanspruch wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt hat. Ebenso liegt direkter Vorsatz vor, wenn z. B. unmittelbar vor einer bevorstehenden Unterbringung in einer Einrichtung das Restvermögen verschenkt wird (OVG Hamburg, Urteil v. 14.9.1990, a. a. O.). Andererseits ist aber nicht jede vernünftige Lebensführung (einschließlich z. B. Urlaub) schon deshalb eine absichtliche Vermögensminderung i. S. v. Abs. 1 Nr. 1, weil sie nicht durch ausreichend hohe Einnahmen gedeckt ist.
Rz. 17
Dagegen fehlt es am direkten Vorsatz, wenn die Handlung – glaubhaft – auf ein anderes Ziel gerichtet ist, das noch im Rahmen einer sinnvollen und vernünftigen Lebensführung liegt und das Herbeiführen der Sozialhilfebedürftigkeit lediglich als notwendige Nebenfolge eintritt (Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., SGB XII, § 26 Rz. 11; Groth, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, SGB XII, Stand: Dezember 2014, § 26 Rz. 3). Es liegt z. B. kein Vorsatz vor, wenn ein Alleinverdiener Überstunden abbaut, um mehr Zeit für seine Kinder zur Verfügung zu haben, selbst wenn sein Einkommen dadurch unter die Grenze zur Hilfebedürftigkeit sinkt. Ebenso besteht kein Vorsatz, wenn eine Leistungsempfängerin die ihr von ihrem geschiedenen Ehemann aus Gründen der Praktikabilität auf sie übertragene, aber wirtschaftlich allein für das gemeinsame Kind bestimmte Ausbildungsversicherung zurücküberträgt, um ihre Verw...