Rz. 25
Eine Parallelregelung findet sich in § 21 Abs. 3 SGB II.
2.3.1 Voraussetzungen
Rz. 26
Der Anspruch auf die Gewährung dieses Mehrbedarfszuschlages ist davon abhängig, ob der/die Berechtigte mit einem oder mehreren Kindern (in einem Haushalt) zusammenlebt und allein für deren Pflege und Erziehung sorgt.
Rz. 27
Das Gesetz spricht nicht ausdrücklich von dem Zusammenleben des Berechtigten mit dem Kind bzw. den Kindern in einem Haushalt. Nach Sinn und Zweck der Regelung über den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende ist dies aber zu fordern. Hinsichtlich des Begriffes des Zusammenlebens in einem Haushalt kann auf andere Vorschriften (z. B. § 56 Abs. 1 SGB I) zurückgegriffen werden.
Rz. 28
Die Begriffe Pflege und Erziehung sind im Gesetz nicht näher definiert. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um die Hilfeleistungen handelt, die i. d. R. von Eltern gegenüber ihren gesunden Kindern im Rahmen von § 1626 BGB erbracht werden. Sie beschreiben die umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes. Pflege konkretisiert die Sorge für das körperliche Wohl, Erziehung die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder. Es geht um die gesamte Sorge für das Kind, mithin die Ernährung, Bekleidung, Gestaltung des Tagesablaufs und emotionale Zuwendung (BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R Rz. 17, zu § 21 Abs. 3 SGB II). Nicht gemeint sind Hilfen bei pflegebedürftigen Kindern. Dafür gelten die Regelungen des Siebten Kapitels (§§ 61 ff.). Andererseits schließt die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII bei der Betreuung von Pflegekindern daneben die Gewährung des Zuschlages wegen Alleinerziehung nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.3.2009, L 25 AS 1446/07 Rz. 23 m. w. N.).
Rz. 29
Dabei stellt das Gesetz jedoch nicht auf eine rechtliche Verpflichtung des Berechtigten zur Pflege und Erziehung des Kindes bzw. der Kinder ab, sondern allein auf die tatsächlichen Umstände. Allerdings kommt den rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Verteilung des Sorgerechts zwischen geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern, eine erhebliche Indizwirkung zu.
Rz. 30
Im Zweifel ist die Frage, ob ein Berechtigter tatsächlich "allein" für die Pflege und Erziehung eines Kindes sorgt, nach wertender Beurteilung der Umstände des konkreten Einzelfalles zu entscheiden. Das Wort "allein" kann dabei keinesfalls im Sinne von "ausschließlich" verstanden werden, weil die Erziehung und Pflege von Minderjährigen jedenfalls mit dem Beginn der Schulpflicht immer auch von Dritten vorgenommen wird. Sind Dritte an der Pflege und Erziehung von Kindern beteiligt oder aus bestimmten Gründen nur vorübergehend gehindert, ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift zu beurteilen, ob der Einfluss des Dritten als so gering anzusehen ist, dass der Berechtigte als "Alleinerziehender" i. S. d. Gesetzes anerkannt werden kann (zu Einzelfällen vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung zu § 23 Abs. 2 BSHG in Rz. 69). Eine besondere Problematik stellt die Aufteilung der Pflege und Erziehung zwischen 2 Elternteilen/Betreuungspersonen dar. Das BSG (Urteile v. 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R Rz. 22, und v. 2.7.2009, B 14 AS 54/08 R Rz. 15) hat diesbezüglich zur Parallelregelung des § 21 Abs. 3 SGB II entschieden, dass eine Teilung des Zuschlages nur bei hälftiger zeitlicher und finanzieller Aufteilung der Betreuung in Zeitintervallen von mindestens einer Woche in Betracht kommt. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf andere Betreuungskonstellationen, bei denen nach den tatsächlichen Verhältnissen abweichende Anteile der Betreuungsleistungen der Eltern praktiziert werden, scheidet aus (BSG, Urteil v. 11.2.2015, B 4 AS 26/14 R Rz. 13 ff.). Die anteilige Zuerkennung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei in etwa hälftiger Aufteilung der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes kommt nur in Betracht, wenn diese Aufteilung über einen längeren Zeitraum andauert (BSG, Urteil v. 12.11.2015, B 14 AS 23/14 R Rz. 18 f.). Dabei handelt es sich um eine konsequente Fortentwicklung der bereits vorliegenden Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Alleinerziehung im System des SGB II (vgl. die Urteilsanm. v. Schäfer, FuR 2016, 543).
Rz. 31
Auch bei alleiniger Betreuung eines Pflegekindes und Bezug von Pflegegeld nach § 39 SGB VIII ist ein Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehung zu gewähren, ohne dass das Pflegegeld als Einkommen anzurechnen wäre (ebenso Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 2. EL. 2024, Stand: 03/2023, § 30 Rz. 21; Simon, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 2.3.2023, § 30 Rz. 85).
2.3.2 Höhe/Inhalt
Rz. 32
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 10/3079 S. 5 zu Ziff. 2.1.4) ist Hintergrund für den Zuschlag der Umstand, dass Alleinerziehende aus unterschiedlichen Gründen wegen ihrer Lebenssituation höhere Aufwendungen haben. Diese ergeben sich insbesondere aus weniger zur Verfügung stehender Zeit zum preisbewussten Einkauf sowie höh...