Rz. 24
Die Vorschrift ist (erst) aufgrund der Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 1.12.2010 Gegenstand des Gesetzes geworden (BT-Drs. 17/4032 S. 11). Hintergrund waren erhebliche Praxisprobleme, die es in der Vergangenheit mit der Übernahme von Schülerbeförderungskosten gab (zu Einzelheiten vgl. Groth, in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, a. a. O., Rz. 305 ff. m. w. N., sowie BSG, Urteil v. 28.10.2009, B 14 AS 44/08 R). Abs. 4 sieht erstmalig eine eigene Anspruchsgrundlage für derartige Fälle vor. Leistungsberechtigt sind wiederum Schülerinnen und Schüler (vgl. Rz. 9). Eine entsprechende Anwendung der Regelung auf Kosten für den Transport zu/von einer Kindertageseinrichtung kommt nicht in Betracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.11.2017, L 18 AS 933/17 Rz. 14; SG Bremen, Urteil v. 17.11.2016, S 6 AS 425/15 Rz. 20 ff.; ebenso Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 9/18, § 34 Rz. 41).
Rz. 25
Durch die Regelung wird die Vorgabe des BVerfG umgesetzt, hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten (vgl. Rz. 15 und BT-Drs. 17/4095 S. 30). Denn einerseits ist es nicht allen Schülerinnen und Schülern möglich, die nächstgelegene Schule zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Andererseits werden in einigen Bundesländern die Schülerbeförderungskosten regelmäßig nur bis zur Sekundarstufe I übernommen. Außerdem sind für den Bereich Verkehr nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 3 (jeweils Abteilung 7) RBEG (Stand: August 2019) 26,49 EUR (vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres) bzw. 13,28 EUR (vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) bei der Bemessung des Regelbedarfes berücksichtigt. Die Kosten für eine Schülermonatskarte liegen oftmals höher (zum Ganzen: BT-Drs., a. a. O.).
Rz. 26
Um eine möglichst flexible am Einzelfall und den jeweiligen schulrechtlichen Vorgaben der Länder ausgerichtete Handhabung zu ermöglichen, enthält die Vorschrift mit den Worten "erforderlichen" und "angewiesen" 2 unbestimmte Rechtsbegriffe, die in vollem Umfang der gerichtlichen Prüfung unterliegen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20.8.2014, L 10 AS 1764/13 B PKH Rz. 14; Groth, in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, a. a. O., Rz. 309, 311 ff.). Auf Rechtsfolgenseite besteht ein gebundener Anspruch auf die Leistung, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Ermessensspielraum ist dem Leistungsträger nicht eingeräumt.
Rz. 27
Das Gesetz legt zunächst fest, dass nur die Kosten für den Besuch der nächstgelegenen Schule (des jeweiligen Bildungsganges z. B. Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule) zu übernehmen sind. Auf diesen Betrag ist die Leistung auch dann beschränkt, wenn die Schülerin oder der Schüler tatsächlich eine weiter entfernte Schule – insbesondere einer besonderen Schulform oder in besonderer Trägerschaft – besucht (Groth, a. a. O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 5.9.2012, L 14 BK 2/12 B ER Rz. 10 ff.). Es kann allerdings sein, dass eine Schülerin oder ein Schüler aus bestimmten Gründen (Auswahlkriterien der Schule, Wohnortwechsel kurz vor Schulabschluss o. Ä.) die örtlich nächstgelegene Schule nicht besuchen kann oder dies nicht zumutbar ist. In solchen Fällen sind dann auch die Kosten für die Beförderung zu dieser Schule zu übernehmen (Klerks, a. a. O. S. 152). Das BSG hat (in Urteilen v. 17.3.2016, B 4 AS 39/15 R Rz. 19 ff. – Sportgymnasium, und v. 5.7.2017, B 14 AS 29/16 R Rz. 21 ff. – Grundschule mit Waldorfpädagogik) ausgehend von den Grundsätzen der Chancengleichheit und Fördergerechtigkeit anknüpfend an Rechtsprechung des BVerwG zum BAföG zum "alten Recht" (des § 28 Abs. 4 SGB II) ausgeführt, dass es für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule nicht nur auf den jeweiligen Bildungsgang (Grundschule, Realschule, Gymnasium u.s.w.), sondern auch auf das spezielle Schulprofil ankommen kann. Dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des Satzes 2 mit Wirkung zum 1.8.2019 Rechnung getragen und die dort aufgestellten Grundsätze näher ausgeformt bzw. konkretisiert (vgl. zu Einzelheiten BT-Drs. 19/8613 S. 26 zu Doppelbuchstabe bb).
Rz. 27a
Für die Feststellung, ob Schülerinnen und Schüler auf eine Schülerbeförderung angewiesen sind, ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil v. 17.3.2016, B 4 AS 39/15 R Rz. 23 m. w. N.) eine Zumutbarkeitsprüfung durchzuführen. Dabei kommt es darauf an, ob der Schulweg zumutbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind. Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen. Das heißt, es ist z. B. auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden Weges, das Verkehrsaufkommen, das Alter des Schülers/der Schülerin, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit des regelmäßigen Transportes ...