Rz. 6
Um eine Selbsthilfe kann es sich schon dem Wortsinn nach nur handeln, wenn eine Zahlung vorab an den Anbieter erfolgt (vgl. Rz. 2). Nach dem Gesetzeswortlaut muss insoweit die leistungsberechtigte Person in Vorleistung gegangen sein. Da die Leistungsberechtigten in aller Regel minderjährig sind, wird es vom tatsächlichen Ablauf her fast immer so sein, dass Eltern für ihre Kinder aus dem der Familie zur Verfügung stehenden "Gesamtbudget" an Sozialleistungen in Vorleistung treten. In diesen Fällen greift dann § 1648 BGB (i. V. m. §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB) ein (so Luik, in: jurisPK-SGB XII, Stand: 22.1.2018, § 34b Rz. 23, 40, 48 m. w. N.). Denkbar – und für den hier in Rede stehenden Anspruch unschädlich – ist aber auch, dass sich die leistungsberechtigte Person die Mittel für die Vorleistung darlehensweise über einen (sonstigen) Dritten beschafft (so BSG, Urteil v. 22.11.2011, B 4 AS 204/10 R Rz. 25 – zur früheren Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
Rz. 7
Zum Kreis der leistungsberechtigten Personen vgl. die Komm. zu § 34. Der Begriff des "Anbieters" ist in § 34a Abs. 2 Satz 1 legaldefiniert.
Rz. 8
Nach Satz 1 Nr. 1 müssen ferner die materiellen Leistungsvoraussetzungen der Abs. 2, 5, 6 oder 7 des § 34 im Zeitpunkt der Selbsthilfe – also bei der Zahlung an den Anbieter – vorliegen (vgl. dazu die Komm. zu § 34). Damit kommt eine berechtigte Selbsthilfe in den Fällen des § 34 Abs. 3 und Abs. 4 nicht in Betracht. Dies leuchtet mit Blick auf § 34 Abs. 3 unmittelbar ein, weil diese Leistungen stets als Geldleistungen erbracht werden (§ 34a Abs. 2 Satz 4), ohne dass es auf einen (formellen) Antrag ankommt (§ 34a Abs. 1 Satz 1). Die Leistungen nach § 34 Abs. 4 werden zwar ebenfalls als Geldleistung erbracht (§ 34a Abs. 2 Satz 4), müssen aber grundsätzlich vorher beantragt werden, so dass auch diesbezüglich die von § 34b erfasste Situation der Selbsthilfe auftreten kann. Zudem können auch die Leistungen nach § 34 Abs. 2 als Geldleistungen erbracht werden (§ 34a Abs. 2 Satz 2), so dass allein der Charakter der Leistung als Geldleistung keinen Grund darstellt, die Möglichkeit einer berechtigten Selbsthilfe auszuschließen.
Rz. 9
Aus der Wendung "… unbeschadet des Satzes 2 …" ist zu entnehmen, dass auch für die berechtigte Selbsthilfe auf das Antragserfordernis nicht grundsätzlich verzichtet wird.
Rz. 10
Nach Satz 1 Nr. 2 darf der Zweck der in Nr. 1 genannten Leistungen durch Erbringung als Sach- bzw. Dienstleistung von der leistungsberechtigten Person unverschuldet nicht bzw. nicht rechtzeitig zu erreichen gewesen sein. Nach Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/12036 S. 8) liegt ein fehlendes Verschulden der leistungsberechtigten Person nicht nur dann vor, wenn der Träger der Sozialhilfe die Leistung rechtswidrig verweigert bzw. die Sache säumig bearbeitet, sondern auch dann, wenn kurzfristig Bedarfslagen auftreten, die eine rechtzeitige Antragstellung nicht ermöglichen. Verschulden soll demgegenüber dann vorliegen, wenn sich die Betroffenen die Leistung "aus freien Stücken" selbst beschaffen (BT-Drs., a. a. O.). Vor diesem Hintergrund hängt es stets von den Umständen des Einzelfalles ab, ob ein Verschulden der leistungsberechtigten Person zu bejahen ist oder nicht. Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung eine Rolle spielen können, sind u. a. einerseits tatsächliche Kenntnisse, Nachforschungspflichten und Einsichtsmöglichkeiten der Betroffenen sowie andererseits Informations- und Aufklärungspflichten der Behörde.
Rz. 11
Sofern die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen, ist der Träger der Sozialhilfe auf Rechtsfolgenseite zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet. Daraus ergibt sich zunächst, dass der Behörde kein Ermessen dahingehend eingeräumt ist, ob bzw. in welchem Umfang sie angefallene Kosten erstattet. Was konkret zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen gehört, unterliegt ggf. in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. (Auch) insoweit sind allerdings zunächst die jeweiligen materiellen Leistungsvorschriften in den Blick zu nehmen (vgl. dazu die Komm zu § 34). So geht es z. B. im Rahmen von § 34 Abs. 5 um die Kosten für eine "angemessene" Lernförderung und im Rahmen von § 34 Abs. 7 um den zwar pauschalierten, aber ggf. kumulierbaren Betrag i. H. v. 15,00 EUR monatlich, der allerdings ggf. noch um Leistungen nach § 34 Abs. 7 Satz 2 ergänzt werden kann. Zur Höhe der übernahmefähigen Kosten bei mehrtägigen Klassenfahrten (jetzt § 34 Abs. 2 Nr. 2) vgl. BSG, Urteil v. 22.11.2011, B 4 AS 204/10 R Rz. 20 und 27.