0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 7.5.2013 (BGBl. I S. 1167) zum 1.8.2013 in Kraft.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe werden grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 34a Abs. 2 Satz 1) oder als Geldleistungen (§ 34a Abs. 2 Satz 2 und Satz 3) von der Behörde vorab erbracht. In bestimmten Fallkonstellationen kann die leistungsberechtigte Person aber auch auf die nachträgliche Erstattung von vorab gemachten Aufwendungen angewiesen sein. Dies ist nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/12036 S. 8) z. B. dann der Fall, wenn der Anbieter vorgelegte Gutscheine nicht akzeptiert und auf Barzahlung besteht oder der Sozialhilfeträger die Sach- oder Dienstleistung nicht rechtzeitig veranlassen kann, ohne dass die leistungsberechtigte Person dies zu vertreten hätte (vgl. zu weiteren Sachverhaltskonstellationen, in denen bei Nachweis bereits entstandener Aufwendungen der Leistungsberechtigten eine Erstattung vorfinanzierter Leistungen in Betracht kommt: Deutscher Verein, Zweite Empfehlungen zur Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, 1. Aufl. 2012 S. 45 f.). In diesen Fällen wandelt sich der ursprünglich nur auf Sach- bzw. Dienstleistung (oder Geldleistung) gerichtete Anspruch in einen solchen auf nachträgliche Kostenerstattung um (vgl. dazu auch unten Rz. 6 und 8).
Rz. 3
Mit Einfügung des § 34b existiert für derartige Fälle nunmehr eine gesetzliche Grundlage, was zur Rechtssicherheit sowohl für die betroffenen Leistungsberechtigten als auch für die Behörden beiträgt. In der Zeit vor dem 1.8.2013 kam eine Kostenerstattung allein unter dem Gesichtspunkt des "Systemversagens" in Betracht (vgl. dazu die Komm. zu § 34a Rz. 11 m. w. N.). Die Neuregelung deckt – jedenfalls ihrem Wortlaut nach – indessen nicht die Fälle kurzfristig auftretender Bedarfslagen ab, in denen Leistungsberechtigte an einer Veranstaltung teilgenommen haben (z. B. bei sehr kurzfristig anberaumten Schulausflügen), ohne dass eine rechtzeitige vorherige Antragstellung erfolgen konnte und ohne selbst in Vorleistung getreten zu sein. Nach Auffassung des Deutschen Vereins (vgl. Stellungnahme v. 28.2.2013 B, I, 4 – abrufbar auf der Homepage des Deutschen Vereins im Internet unter http://www.deutscher-verein.de) sollte überdacht werden, ob nicht auch für diese Fälle eine Rechtsgrundlage zu schaffen ist.
Rz. 3a
Nach ihrer Einführung war die Vorschrift unter verschiedenen Aspekten Kritik ausgesetzt. Teilweise wurde bemängelt, die Regelung sei überflüssig, weil sie nur noch einmal normativ festhalte, was ohnehin schon aufgrund der seit Langem bekannten allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Selbstbeschaffung von Sozialleistungen gelte (vgl. Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 34b Rz. 1). Andererseits (Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 36. Erg.-Lfg. VI/14, K § 34b Rz. 6) wurde kritisiert, dass es der verwaltungstechnisch aufwändigen Herauslösung der Leistungen für Bildung und Teilhabe aus dem Regelbedarf von vornherein nicht bedurft hätte, wenn auch diese Leistungen im Ergebnis umfassend wieder als Geldleistungen gewährt werden können.
Rz. 3b
Beide Kritikpunkte greifen nicht durch. Für die Rechtspraxis ist es hilfreich, wenn – wie etwa im Rahmen von § 13 Abs. 3 SGB V oder § 15 Abs. 1 SGB IX – konkret festgelegt ist, unter welchen Voraussetzungen eine Erstattung von Kosten in Betracht kommt, die zur Deckung von Bedarfen der Bildung und Teilhabe aufgewandt wurden. Es bleibt im Einzelfall schwierig genug festzustellen, ob die Voraussetzungen von § 34b Satz 1 Nr. 2 vorliegen.
Die Kritik von Falterbaum verkennt, dass § 34b nicht den Normalfall der Leistungserbringung im Auge hat, sondern nur den Ausnahmefall der "missglückten Leistungserbringung". Für eine grundsätzliche Ablösung der Leistungen zur Bildung und Teilhabe vom Regelbedarf spricht zudem weiterhin, dass es nicht zuletzt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten ist, ihre Effizienz hinsichtlich der Erreichung der Teilhabeziele im Blick zu behalten (vgl. die Komm. zu § 34a), was bei einer Einbeziehung in die Regelsatzleistung kaum sinnvoll möglich sein dürfte.
Rz. 4
Eine dem Wortlaut nach identische Zwillingsregelung für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende enthält § 30 SGB II, der gleichzeitig mit § 34b eingefügt wurde (Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BGBl. I S. 1167).
2 Rechtspraxis
Rz. 5
§ 34b besteht aus 2 Sätzen. Satz 1 enthält materielle Bestimmungen darüber, wann von einer berechtigten Selbsthilfe auszugehen ist. Satz 2 fingiert den Leistungsantrag, wenn dieser vor der Selbsthilfe nicht gestellt werden konnte.
2.1 Anwendungsbereich (Satz 1)
Rz. 6
Um eine Selbsthilfe kann es sich schon dem Wortsinn nach nur handeln, wenn eine Zahlung vorab an den Anbieter erfolgt (vgl. Rz. 2). Nach dem Gesetzeswortlaut muss insoweit die leistungsberechtigte Person in Vorleistung gegangen sein. Da die Leistungsberechtigten in aller Regel mi...