2.2.1 Begriff der Unterkunft
Rz. 18
Unter einer Unterkunft versteht das BSG (Urteil v. 14.4.2011, B 8 SO 19/09 R Rz. 10, sowie Urteil v. 19.5.2021, B 14 AS 19/20 R Rz. 18 jeweils zu § 22 SGB II) jede Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters und der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) zu gewährleisten (ähnlich Berlit, info also 2014, 243, 249 und SGb 2011, 619, 620; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 21.1.2015, L 1 AS 5292/14 ER-B Rz. 23). Hierunter fallen klassischerweise die Mietwohnung sowie das selbst genutzte Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung. In § 42a Abs. 2 Satz 2, der zum 1.7.2017 eingefügt wurde, findet sich seither eine "Legaldefinition" der Wohnung. Danach ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, die von anderen Wohnungen oder Wohnräumen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen. Als Unterkunft i. S. v. § 35 kommen aber etwa auch in Betracht ein Wohnwagen bzw. ein Wohnmobil (BSG, Urteil v. 17.6.2010, B 14 AS 79/09), ein Hotelzimmer (vgl. VGH Hessen, Beschluss v. 3.9.1991, 9 TG 3588/90) oder ein (zusätzlicher) Lagerraum (BSG, Urteil v. 16.12.2008, B 4 AS 1/08 R Rz. 13 f.), nicht hingegen ein Schlafsack, ein Zelt oder eine Wohnung, die allein zum Übernachten benutzt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.12.1994, 6 S 1323/96 Rz. 12 ff.; VG Berlin, Urteil v. 2.8.2011, 23 K 167/10 Rz. 15).
2.2.2 Tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft
Rz. 19
Welche Aufwendungen konkret zu den tatsächlichen Unterkunftskosten zählen, hängt davon ab, um welche Art von Unterkunft es sich handelt.
2.2.2.1 Unterkunftskosten bei Mietwohnungen
Rz. 20
Bei Anmietung einer Mietwohnung zählen zu den Aufwendungen der Unterkunft der vertraglich geschuldete Mietzins einschließlich aller Nebenkosten. Das sind insbesondere die Betriebskosten i. S. d. BetrKV (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 8/09 R Rz. 16 und 19 m. w. N., sowie Urteil v. 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R Rz. 33 f., und § 556 Abs. 1 BGB) sowie die Kosten für die (Kalt-)Wasserversorgung (SG Freiburg, Urteil v. 15.4.2011, S 6 AS 3782/09).
Rz. 21
Eine aus der jährlichen Betriebskostenabrechnung resultierende Nachforderung des Vermieters gehört ebenfalls zu den Unterkunftskosten, und zwar in dem Monat, in dem sie fällig wird (BSG, Urteil v. 10.11.2011, B 8 SO 18/10 Rz. 17, sowie Urteil v. 22.3.2010, B 4 AS 62/09 R Rz. 13, 17 m. w. N.). Es handelt sich dabei hingegen nicht um (Miet-)Schulden i. S. v. § 36 SGB XII. Das gilt auch bei einer Abrechnung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis (vgl. dazu im Einzelnen die Komm. zu § 36 sowie BSG, Urteil v. 13.7.2017, B 4 AS 12/16 R Rz. 18 ff., und Urteil v. 19.5.2021, B 14 AS 57/19 R Rz. 19). Für die Anerkennung als Unterkunftsbedarf erforderlich ist allerdings eine "existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung" der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf. Eine solche Verknüpfung ist gegeben, wenn die leistungsberechtigte Person durchgehend von der tatsächlichen Entstehung der Kosten bis zu deren Fälligkeit im Leistungsbezug steht, die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt und keine andere Bedarfsdeckung eingetreten ist oder eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs vorlag (BSG, Urteil v. 19.05.2021, a. a. O., m. w. N.).
Rz. 22
Für die Erstattung von Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung enthält § 35 keine dem § 22 Abs. 3 SGB II entsprechende Regelung. Derartige Erstattungen können daher nur nach den allgemeinen Regeln als Einkommen (§ 82) oder – bei zivilrechtlich wirksamer vermieterseitiger Verrechnung mit der Mietzinsforderung für einen bestimmten Monat (dazu etwa BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 4 AS 132/11 R Rz. 20 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.11.2015, L 7 AS 1148/14 Rz. 30 ff.) – als Verringerung des Unterkunftsbedarfs angesehen werden (vgl. bzgl. der vergleichbaren Problematik bei Heizkosten weiter unten).
Rz. 23
Kosten für eine Räumungsklage können Mietschulden (§ 36 Abs. 1), im Einzelfall aber auch Kosten der Unterkunft sein (vgl. LSG Bayern, Urteil v. 30.1.2014, L 7 AS 676/13 Rz. 24 f. m. w. N.). Sind Mietzinsforderungen des Vermieters verjährt, kann es der leistungsberechtigten Person mit Blick auf ihren Unterkunftsbedarf in der Regel (d. h. insbesondere bis zur Grenze des § 242 BGB) zugemutet werden, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen (vgl. LSG Hessen, Urteil v. 6.4.2016, L 6 AS 464/13 Rz. 34; vgl. aber auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.3.2014, L 3 AS 343/10 ZVW Rz. 52).
Rz. 24
Als weitere Kosten der Unterkunft sind auch die – mietvertraglich vereinbarten – Aufwendungen für Schönheitsreparaturen (BSG, Urteil v. 19.03.2008, B 11b AS 31/06 R; vgl. ferner LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.12.2014, L 2 SO 2379/14 Rz. 18 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.4.2016, L 15 SO 165/...