Rz. 11

Gemäß Abs. 1 Satz 1 ist der Sozialhilfeträger bei Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen grundsätzlich berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 SGB I) die notwendigen Leistungen zur Befreiung von den aufgelaufenen Schulden zu erbringen. Maßgebliche Kriterien sind insoweit insbesondere in §§ 1, 2 und § 16 geregelt. Denkbare (weitere) Gesichtspunkte im Rahmen des Ermessens könnten etwa sein, die Vermögenslage des/der Betroffenen, die (mittelbare) Betroffenheit von Kindern und/oder gesundheitlich eingeschränkter Personen o. ä. (vgl. zu Ermessenserwägungen etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse v. 17.1.2014, L 9 SO 532/13 B ER Rz. 24, und v. 16.4.2012, L 19 AS 556/12 B ER Rz. 16 f.) Da die objektive Rechtfertigung der Schuldübernahme bereits Tatbestandsvoraussetzung ist (vgl. Rz. 10a ff.), sind jedoch kaum Fälle denkbar, in denen das "Ob" der Hilfegewährung (das Entschließungsermessen) noch fraglich sein könnte. In der Regel dürfte daher also nur das Auswahlermessen des Trägers hinsichtlich der Art und des Umfangs der Leistung zum Tragen kommen (vgl. Rz. 14 ff.). Ein etwaiges pflichtwidriges Vorverhalten des Betroffenen kann aber nicht nur auf der Ebene des Tatbestandes, sondern auch im Rahmen des (Auswahl-)Ermessens Berücksichtigung finden (Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 36 Rz. 6). Ebenso kann im Rahmen der Ermessensentscheidung das Vorverhalten der Behörde eine Rolle spielen (Streichsbier a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.12.1994, 8 B 2650/94).

 

Rz. 12

Nach der Vorschrift in Abs. 1 Satz 2 ist das (ohnehin schon gebundene) Ermessen ("soll") i. d. R. auf einen gebundenen Anspruch des Berechtigten reduziert. Denn auch hier sind kaum Fälle denkbar, in denen Wohnungslosigkeit droht und die Schuldenübernahme dem Grunde nach gerechtfertigt ist, aber dennoch die Gewährung von Leistungen ermessensfehlerhaft wäre. Dies gilt umso mehr, als die Folgen der Obdachlosigkeit häufig irreversibel und für die Sozialhilfeträger deutlich teurer sind, als die Unterstützung beim Erhalt der Unterkunft.

 

Rz. 13

Denkbar ist im Rahmen des Auswahlermessens die Gewährung der Leistung ggf. an bestimmte Voraussetzungen (z. B. Rückzahlung in angemessenen Raten oder die Zustimmung zur Direktzahlung an den Vermieter bzw. das Versorgungsunternehmen – dazu nachfolgend unter Rz. 14 ff.) zu knüpfen.

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